Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hat im dritten Quartal 2024 die IW-Trends-Studie „Herausforderungen der Transformation für die Unternehmen in Deutschland“ herausgebracht. Eine Befragung mit dem IW-Zukunftspanel im Zeitraum November 2023 bis Januar 2024 soll zeigen, dass viele Unternehmen vor allem Fachkräfteengpässe und mangelnde Digitalisierung als Probleme sehen.
Im September hat das IW die Ergebnisse einer IW-Befragung zum Thema Transformation veröffentlicht. Sie besagt, dass die deutsche Volkswirtschaft vor großen Herausforderungen stehe, die durch den Krieg in der Ukraine, die Konflikte im Nahen Osten, die Energiepreiskrise und geopolitische Unsicherheiten verstärkt würden. Besonders prägend seien die vier großen Trends Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und Deglobalisierung (4D), die eine Transformation der Unternehmen erfordern würden. Obwohl die Unternehmen die Bedeutung der Trends unterschiedlich einschätzen, sei in den Bereichen Klimaschutz, Energiewende und Digitalisierung dringender Handlungsbedarf erkennbar. Haupthemmnisse seien dabei fehlende Fachkräfte und hohe Kosten. Um die Transformation zu bewältigen, seien massive Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und klimafreundliches Wirtschaften sowie in die Ausbildung von Fachkräften notwendig. Unternehmen fordern mehr staatliche Unterstützung und eine umfassende wirtschaftspolitische Strategie.
Trends: 4D
Innovationen müssen laut der IW-Studie her, mit Blick auf die aktuell wichtigsten Trends im Sinne einer langfristigen Wirkung auf die deutsche Wirtschaft: Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und Deglobalisierung. Im Studienzeitraum wurden insgesamt 982 Unternehmen befragt, von denen rund 700 die Fragen zum Thema Transformation beantwortet haben. Beim IW-Zukunftspanel handelt es sich um eine wiederkehrende Unternehmensbefragung, in der Geschäftsführer, Vorstände oder Leiter der Strategieabteilungen in Unternehmen der Industrie und der industrienahen Dienstleistungen befragt werden. Laut der Studie seien fast 30 Prozent der befragten Unternehmen von allen vier Trends betroffen. Die Antworten sollen ergeben, dass nicht alle Unternehmen die Herausforderungen wahrnehmen, denn sie antworten teilweise, dass sie sich als nicht betroffen sehen. Zumindest bei den Themen Klimaschutz und Energiewende wie auch Digitalisierung dürfte jedoch in nahezu allen Unternehmen realer Handlungsbedarf bestehen. Die Wahrnehmung der Unternehmen beim Thema Betroffenheit von 4D und der tatsächliche Handlungsbedarf könnten also auseinanderliegen.
Unter den Unternehmen, für die der abgefragte Trend relevant ist, sei für einen Teil der Unternehmen das eigene Unternehmen nicht gut aufgestellt: Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten, bei der 100 Punkte das Optimum darstellen, schätzen sich 27 Prozent der Unternehmen im Bereich Fachkräftesicherung bei einem Wert von unter 50 Punkten ein, im Bereich Klimaschutz und Energiewende sind es 21 Prozent, 20 Prozent im Bereich Digitalisierung und 15 Prozent im Bereich Handelsbeschränkungen. Diese Unternehmen haben möglicherweise Nachholbedarf im Umgang mit den Strukturwandeltrends.
Es sei davon auszugehen, dass die Digitalisierung von Prozessen, aber auch von Produkten und Dienstleistungen für Unternehmen Vorteile bringt und einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Für viele Unternehmen sei vor diesem Hintergrund kein Druck zur Digitalisierung spürbar, sie würden das Thema als optional wahrnehmen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich mangelnde Digitalisierung mittelfristig zu einem Wettbewerbsnachteil entwickeln wird, der die deutsche Wirtschaft insgesamt im Vergleich zu anderen Nationen zurückfallen lassen kann. Bereits bei der Unternehmensbefragung aus dem Jahr 2020 habe sich gezeigt, dass die fehlende Verfügbarkeit von Fachkräften ein Haupthemmnis für die Einführung digitaler Geschäftsmodelle sei. Bezogen auf einzelne Branchen liege die Einschätzung der fehlenden Fachkräfteversorgung als Hemmnis für die digitale Transformation zwischen 36 Prozent in der Branchengruppe „Unternehmensnahe Dienstleister“ und knapp 75 Prozent in der Branchengruppe „Energie-, Wasserversorgung, Entsorgung“. Als wesentliches Hemmnis werden fehlende Fachkräfte in besonderem Ausmaß von den M+E-Branchen wahrgenommen – 50 Prozent der Unternehmen der Branchengruppe „Maschinenbau, Elektroindustrie, Fahrzeugbau“ und rund 45 Prozent der Branchengruppe „Metallerzeugung und -bearbeitung sowie Herstellung von Metallerzeugnissen“ sollen fehlende Fachkräfte für die Digitalisierung als Hemmnis dafür ansehen, das Unternehmen bezüglich der Digitalisierung besser aufzustellen.
Hemmnisse bei der Dekarbonisierung gebe es durch generell hohe Kosten und Fachkräftebedarfe. Es zeigte sich, dass innovierende Unternehmen im Vergleich zu nicht innovierenden Unternehmen eine höhere Wahrscheinlichkeit sehen würden, dass der Green Deal Anreize für Investitionen in umweltfreundliche Technologien und Produkte schafft und dass sie erfolgreich ihre Geschäftsmodelle anpassen können. Durch die Deglobalisierung bestehe des Weiteren ein Innovationsdruck. Mit dem Krieg in der Ukraine und dem politischen Ziel, im Umgang mit dem Wirtschaftspartner China auf Diversifizierung und De-Risking zu setzen, nehme auch die Bedeutung der Deglobalisierung und Geopolitik für die Breite aller Unternehmen zu. Das Risiko steige an, dass internationale Wertschöpfungsketten unterbrochen werden und dass das Geschäft mit dem lange Zeit wichtigsten deutschen Handelspartner China im Konfliktfall reduziert werden müsse. Das zeige auch die geopolitisch veränderte Situation mit den Energieimporten aus Russland. Befragt nach Hemmnissen, um das Unternehmen bezüglich der geopolitischen Hemmnisse besser aufzustellen, antworten laut der Studie 37 Prozent, die Digitalisierung von Prozessen sei hilfreich, jedoch habe das Unternehmen hier Aufholbedarf. Kostenbelastungen durch Energie sollen für die Unternehmen ein ähnlich wichtiges Hemmnis darstellen. Fehlende Fachkräfte für den Umgang mit geopolitischen Risiken oder Schwierigkeiten, kompetente externe Beratung hierzu zu finden, stelle für jedes vierte bis fünfte antwortende Unternehmen ein Hemmnis bei der Bewältigung der geopolitischen Herausforderungen dar.
Als Handlungsoption sieht die IW-Studie im Ergebnis massive Investitionen, besonders in die Instandsetzung der vorhandenen Infrastruktur und deren Ausbau, um Digitalisierung und klimafreundliches Wirtschaften zu ermöglichen. Investiert werden müsse demnach aber auch in Köpfe, also diejenigen Menschen, die das Gelingen der Transformation in den Unternehmen umsetzen. Eine wesentliche Handlungsoption sind daher zusätzliche Forschungsanstrengungen, vor allem in den Unternehmen selbst. Die Unternehmen sehen als besonders hoch die Forderung nach mehr Investitionen in das Bildungssystem an. Deutlich mehr Fachkräfte seien laut der Studie der Schlüssel für alle 4D.
(Karoline Sielski)
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