Menschen bewegen Menschen

Stefanie Haaks, Vorstandsvorsitzende der KVB, im Interview

by Jana Leckel
Auch in diesem Jahr wird Stefanie Haaks mit ihrer engagierten Arbeit zur Weiterentwicklung der KVB beitragen

Nach mehr als sieben Jahren wird Stefanie Haaks im nächsten Jahr die Kölner Verkehrs-Betriebe verlassen. Im Interview mit DIE WIRTSCHAFT gibt sie einen kleinen Überblick über die Herausforderungen und Vorurteile, mit denen die KVB zu kämpfen hat, aber auch darüber, welche Innovationen es bereits gibt, und über solche, die in diesem Jahr eingeführt werden.

DIE WIRTSCHAFT: Sie werden im nächsten Jahr das „hillige“ Köln aus privaten Gründen verlassen. Diese Information kam in einer für den ÖPNV schwierigen Zeit. Herausfordernd waren die Zeiten für die KVB schon immer, kein städtisches Unternehmen steht ja so im Fokus der Öffentlichkeit. Nach Corona, Krieg und Inflation sind die öffentlichen Kassen nahezu leer, trotzdem setzen Sie sich für eine Mobilitätswende ein. Ist das nicht ein aussichtsloses Unterfangen?

Stefanie Haaks: Auf gar keinen Fall! Zugegeben, die Rahmenbedingungen sind schwierig: eine angespannte Personalsituation vor allem im Fahrdienst, große Probleme bei der Beschaffung von Ersatzteilen für Busse und Bahnen, eine deutlich verzögerte Auslieferung unserer neuen Niederflurbahnen, eine unbefriedigende Betriebsqualität, unklare Finanzierung, um nur einige Themen zu nennen. Einiges haben wir selbst in der Hand, es zu verbessern, anderes liegt leider nicht an uns. Da benötigen wir Klarheit, insbesondere was die Finanzierung unserer Investitionen und Betriebskosten anbelangt. Denn es gibt keine Alternative zu einer umwelt- und klimafreundlichen Mobilitätswende, wenn wir die Lebensqualität der Menschen gerade in einer Großstadt wie Köln verbessern wollen. Deshalb richten wir alle unsere Anstrengungen darauf aus.

DIE WIRTSCHAFT: Was fasziniert Sie am öffentlichen Nahverkehr?

Stefanie Haaks: Menschen bewegen Menschen. Dieser Slogan passt hervorragend zur Branche. Der kommunale ÖPNV ist geprägt von täglich neuen Herausforderungen. Nichts ist an einem Tag so wie am vorangegangenen. Dies sorgt nicht nur für Abwechslung, sondern erfordert auch oftmals Sofortmaßnahmen und Entscheidungen. Verwaltungsmäßig etwas nur abzuarbeiten, wäre dauerhaft nicht mein Fall. Und wenn man etwas tiefer ins Unternehmen sieht, erkennt man, dass wir sehr innovativ sind, was von außen betrachtet selten so wahrgenommen wird. Hinzu kommt, dass es eine sinnstiftende Tätigkeit ist, denn es ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Diese so wirtschaftlich wie möglich zu planen, umzusetzen und weiterzuentwickeln ist eine spannende Aufgabe. Von daher macht mir der öffentliche Nahverkehr tatsächlich Spaß, trotz aller bekannten widrigen Umstände.

Spannungsfeld zwischen Mobilitätswende und wirtschaftlichen Zwängen

DIE WIRTSCHAFT: An welcher Stelle würden Sie sich von Stadt oder Land mehr Unterstützung wünschen, wenn es darum geht, den öffentlichen Nahverkehr weiter zu verbessern?

Stefanie Haaks: Der kommunale ÖPNV befindet sich derzeit in einem Spannungsfeld zwischen der politisch gewollten Mobilitätswende, die zur Erreichung der Klimaschutzziele unverzichtbar ist, und den wirtschaftlichen Zwängen. Die Kommunen können das steigende Defizit ihres jeweiligen Verkehrsunternehmens kaum noch finanzieren, geschweige denn den ÖPNV-Ausbau, und die dadurch steigende Unterdeckung selbstständig finanzieren. Das gilt genauso für die KVB. Um unsere Strategie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte entwickeln zu können, brauchen wir eine verlässliche Entscheidungsgrundlage. Wie viel Geld steht uns künftig zur Verfügung? Mit welchen Zuschüssen aus welchen Töpfen können wir rechnen? Welche Ausbauprojekte sind dann überhaupt noch finanzierbar und damit realistisch? Auf diese Fragen haben wir noch keine zufriedenstellenden und belastbaren Antworten. Wir benötigen also Klarheit.

DIE WIRTSCHAFT: Apropos Ausbau: Wie gestaltet sich der Arbeitskräftemangel bei der KVB, und welche Strategien setzen Sie ein, um qualifizierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen und zu halten?

Stefanie Haaks: Wie viele andere Verkehrsunternehmen auch spüren wir den Arbeits- und Fachkräftemangel. Der demografische Wandel, der verstärkte Trend zur Teilzeitarbeit, aber auch ein stark veränderter Arbeitsmarkt stellt die gesamte Branche vor große personalstrategische Herausforderungen. Die Situation ist schwierig. Der Arbeitsmarkt ist hart umkämpft, er ist von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt geworden. Die Arbeitnehmer haben viel mehr Möglichkeiten als noch vor Jahren. Sie sind schneller und entscheidungsfreudiger geworden, wenn es beispielsweise um einen Jobwechsel geht. Auf die geänderten Herausforderungen haben wir unter anderem mit einer groß angelegten Recruiting-Kampagne reagiert, mit der wir auch ganz neue Wege bei der Personalgewinnung gehen. Mit dem „KVB-Karrierebus“ zum Beispiel, einem sehr niederschwelligen Angebot für potenzielle Fahrerinnen und Fahrer, aber auch mit vielen anderen Aktivitäten und Werbemaßnahmen. Die Anstrengungen zeigen erste Erfolge, aber wir brauchen einen langen Atem.

Die multimodale Ladeinfrastruktur-Integration MuLI als Vorreiterprojekt

DIE WIRTSCHAFT: Sie haben zusammen mit der RheinEnergie, Ford und dem Ingenieurbüro Fehringer aus Dortmund eine multimodale Ladeinfrastruktur entwickelt, bei der Strom aus der Bremsenergie gewonnen wird. Können Sie uns mehr dazu erzählen? Wie viel Strom wird von wie vielen Bahnen generiert und welche Fahrzeuge profitieren davon?

Stefanie Haaks: Ja, wir haben mit dem Projekt MuLI – Multimodale Ladeinfrastruktur-Integration – an der Haltestelle „Bocklemünd“ eine solche Technik realisiert. Bahnen können die Energie, die beim Bremsen frei wird, wieder in Strom umwandeln, statt sie als Abwärme entweichen zu lassen. Dieser Strom wird in Batteriespeichern „zwischengelagert“ und dann vor Ort an Elektrobusse, aber auch an Pkw oder andere Elektrofahrzeuge abgegeben. Bei MuLI geht es den drei Partnern darum, solche Technik-Konstrukte auszuprobieren und deren Funktionsweise zu demonstrieren. Wie lassen sich genutzte Auto-Batterien nach ihrem mobilen Einsatz in Speichern weiterverwenden? Wie muss die Stromumwandlung von Gleich- zu Wechselstrom aufgebaut sein, um unter anderem die Strommengen messen zu können? Lassen sich private Pkw-Nutzer, wie dort in Bocklemünd, anregen, ihre Autos in einer P&R-Anlage nachzuladen? Unsere Erfahrungen zeigen, dass mit sauber konstruierten und gut aufgebauten Anlagen wie dieser viele Aufgabenstellungen erfüllt werden können. MuLI dient dabei als Schablone, die nach langfristig abgesicherten Erkenntnissen an vielen anderen Standorten in Deutschland „nachgebaut“ werden kann.

DIE WIRTSCHAFT: Mit welchen Vorurteilen hat die KVB zu kämpfen, mit denen Sie gerne aufräumen würden?

Stefanie Haaks: Die KVB hat ja seit jeher den Ruf, ein schwerfälliger Tanker zu sein, der sich nur langsam bewegt und nur mühsam die Richtung wechselt. Das stimmt so nicht. Wir haben in den letzten Jahren auf vielen Gebieten bewiesen, dass wir ein modernes, zukunftsorientiertes Unternehmen sind: bei der Umstellung unserer Busflotte auf Elektromobilität beispielsweise, durch das sehr erfolgreiche KVB-Leihrad-Angebot, durch die Einführung des Deutschlandtickets oder auch die Beschaffung bzw. Bestellung neuer Fahrzeugserien. Wir sind auch innovativ, haben bspw. eine eigene Mitarbeiter-App und einen 3-D-Drucker in der Werkstatt. Die KVB ist viel mehr als „nur“ ein Betrieb, der Fahrzeuge durch den dichten Verkehr rollen lässt. Das alles ist nur möglich mit einem engagierten, motivierten Team, unserem #TeamHerzschlag. Und wir haben in diesem Zuge auch unseren gesamten Außenauftritt überarbeitet: Wir sind bunter, frischer und manchmal auch ein bisschen mutiger unterwegs. Dafür bekommen wir sehr viel positive Resonanz.

DIE WIRTSCHAFT: Gibt es in diesem Jahr innovative Neuerungen bei der KVB, auf die sich die Kölner freuen dürfen?

Stefanie Haaks: Ein wichtiges Thema für uns ist eine bessere und zuverlässigere Fahrgast-Information. Dafür haben wir das Projekt ITCS („Intermodal Transport Control System“) ins Leben gerufen, das die Betriebssteuerung und die Kundeninformation verbessern soll und mit dem wir auf der Zielgeraden sind. Im Zuge des Projektes, in das wir über 70 Millionen Euro investieren, wurden bereits die neuen Anzeiger an den Haltestellen installiert, ebenso die Bildschirme in den Bussen und Bahnen, alle Fahrzeuge wurden entsprechend technisch umgerüstet. Im Laufe dieses Jahres soll die entsprechende Software scharf geschaltet werden, dann wird die Information für unsere Kunden eine neue Qualität erreichen. Alle betrieblichen Informationen, egal, auf welchem Weg sie ausgespielt werden, stammen dann aus einer Datenquelle und sind damit einheitlich und verlässlich.

DIE WIRTSCHAFT: Zum Abschluss: Sie hinterlassen große Fußspuren, insbesondere innerhalb des Betriebes, was wollen Sie Ihrer Nachfolgerin/Ihrem Nachfolger gern mit auf den Weg geben?

Stefanie Haaks: Jeder sollte seinen eigenen Weg finden und gehen. Dazu passt ein Zitat von Wilhelm Busch: „Wer (nur) in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren.“

(Jana Leckel)

Bildquellen

  • 2024-11-20-Haaks-ST1: Christian Seiter/KVB

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