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Der Doppel-Wumms

200 Milliarden Euro gegen die Energiepreiskrise

Es ist das Frühjahr 2020, als die Pandemie auch Deutschland heimsucht und das Leben zum Erliegen kommt. Die Bundesregierung holte damals die „Bazooka“ raus, um mit „Wumms“ die Wirtschaft finanziell zu unterstützen. Zweieinhalb Jahre später muss und will der Bund aufgrund der Energiekrise für Entlastungen sorgen, diesmal mit einem „Doppel-Wumms“.

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hat ein Faible für richtig große Zahlen. 65 Milliarden für drei Entlastungspakete, die unter anderem mit der Energiepreispauschale viele Arbeitnehmer zuletzt auf ihren Lohnzetteln vorfanden, 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und jetzt 200 Milliarden Euro gegen die Energiekrise. Nach dem Hin und Her rund um die Gasumlage, die erst kommen sollte und dann doch nicht kam, will der Bund nun mit einem gigantischen Rettungspaket den rasant gestiegenen Energiepreisen entgegenwirken. Es soll der große Wurf sein.

Sieben Maßnahmen gegen Krise

Die Lage rund um die Energiekrise erfordere eine konsequente Antwort, so die Bundesregierung. Die steigenden Energiekosten und damit einhergehende schwere Folgen für Verbraucher und Unternehmen sollen mit einem umfassenden Abwehrschirm abgefedert werden. Damit soll der gesellschaftliche Zusammenhalt bewahrt und die ökonomische Leistungsfähigkeit des Landes weiterhin gewährleistet werden. Um dies sicherzustellen, sollen mehr Kapazitäten bei Wärme und Strom in den Markt gebracht werden, durch Einsparungen soll die Abhängigkeit von Gas und anderen fossilen Energieträgern schneller reduziert werden. Dazu soll neben einer Strompreisbremse auch eine Gaspreisbremse eingeführt werden. Für den Abwehrschirm stellt die Bundesregierung Finanzmittel von bis zu 200 Milliarden Euro bereit. Im Wesentlichen soll das Geld in sieben Bereichen/Maßnahmen eingesetzt werden. Ein großes Ziel ist, dass das Angebot ausgeweitet und der Verbrauch durch Sparmaßnahmen gesenkt werden soll. Dies soll einen zentralen Beitrag dazu leisten, dass die Gaspreise auf den Märkten wieder sinken. Potenziale bei erneuerbaren Energien sollen stärker ausgeschöpft werden, die Kohleförderung wird hochgefahren. Zudem diskutiert die Bundesregierung weiterhin hitzig, ob Atomkraftwerke auch nach dem geplanten Ausstieg zum Ende des Jahres weiterlaufen sollen. Als zweite große Maßnahme wird eine Strompreisbremse für private Verbraucher und Unternehmen eingeführt. Der Bund schreibt dazu: „Weil Gas aktuell den Preis setzt und weil dieser gerade so hoch ist, erzielen die Nichtgaskraftwerke sehr starke Zufallsgewinne. Diese sollen genutzt werden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen stärker von den günstigen Produktionskosten der erneuerbaren Energien und der übrigen Stromerzeuger profitieren und dies auf ihrer Stromrechnung sehen.“ Ein sogenannter Basisverbrauch soll subventioniert werden. Wer darüber hinaus Strom verbraucht, zahlt den aktuellen Marktpreis. Der Endkundenpreis für Strom soll so abgesenkt und von den hohen Preisen auf den Großhandelsmärkten entkoppelt werden. Als dritte wichtige Maßnahme will die Bundesregierung schnellstmöglich auch eine Gaspreisbremse einführen. Diese soll in der aktuellen Hochpreisphase die Belastungen für Haushalte und Unternehmen abfedern, was zu spürbaren Entlastungen führen soll. Der Bund schreibt hierzu: „Die Abfederung ist eine temporäre Maßnahme. Daher werden die Preise (zumindest für einen Teil des Verbrauchs) auf ein Niveau gebracht, welches private Haushalte und Unternehmen vor Überforderung schützt. Gleichzeitig sollen Anreize zur Reduktion des Gasverbrauchs erhalten bleiben. Die Gaspreisbremse ist befristet und kann nach Evaluierung verlängert werden. Ziel ist auch hier, sie administrativ handhabbar zu machen und zeitlich schnell umzusetzen.“ In einem vierten Punkt soll der Wirtschaftsstabilisierungsfonds reaktiviert und neu ausgerichtet werden. Über den WSF läuft der Abwehrschirm. Daher wird der WSF mit den Finanzmitteln in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet. Die fünfte Maßnahme ist eine EU-Solidarabgabe für Unternehmen im Energiebereich. Der Bund unterstützt damit den Vorschlag der Europäischen Kommission bzgl. der Einführung einer Solidarabgabe für Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich. Die Reduzierung der Umsatzsteuer auf Gas ist der sechste Punkt des Abwehrschirms. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Gas wurde im Zuge der Gasumlage, die kurz vor dem Start zum 1. Oktober 2022 wieder zurückgenommen wurde, vereinbart. Über den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Gas sollen die Verbraucher und Unternehmen zusätzlich zur Gaspreisbremse entlastet werden. Der siebte Aspekt des Abwehrschirms ist die Vermeidung unverhältnismäßiger Bürokratie. Da die Krise bei vielen Unternehmen zu zusätzlichen Belastungen führe, solle daher sorgfältig darauf geachtet werden, dass keine zusätzlichen Bürokratielasten die Wirtschaft zusätzlich beeinträchtigen. Hilfsleistungen aus dem Abwehrschirm sollen zusätzlich den Ländern und Gemeinden helfen. Schulen, Sportverein und kommunale Unternehmen wie Krankenhäuser und Kultureinrichtungen sollen wie Unternehmen und Haushalte von den Entlastungsmaßnahmen profitieren.

„Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sind ein Wumms. Man kann sagen: Das hier ist ein Doppel-Wumms. Es soll dazu beitragen, dass jetzt schnell, zügig und für alle schnell feststellbar die Preise für Energie sinken, sodass sich niemand Sorgen machen muss, wenn er an den Herbst und den Winter denkt, wenn er an Weihnachten denkt und an das nächste Jahr und an die Rechnungen. Auch die hohen Rechnungen, die einige jetzt bereits bei den Abschlagszahlungen bekommen haben, werden sich dann wieder reduzieren können. Das ist das konkrete Ziel der Maßnahme und der Förderung, die wir uns vorgenommen haben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Vorstellung des Abwehrschirms. „Es ist eine große Entscheidung 200 Milliarden Euro für einen Abwehrschirm, der dann, verausgabt über den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, tatsächlich den Angriff von Russland abwehren soll, den Angriff von Russland, von Putins Regime, auf unsere Volkswirtschaft, um über eine Destabilisierung unserer Volkswirtschaft eine Destabilisierung der demokratischen Ordnung in Europa und in Deutschland zu erreichen. Das ist die Macht, die wir Putin durch eine zu große Abhängigkeit von Gas gegeben haben, und das ist heute die Gegenwehr, die wir mit dem Abwehrschirm ergreifen, um diese Macht zu brechen“, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Bundesfinanzminister Christian Lindner: „Was wir heute vorstellen, dieser Beschluss, den wir erarbeitet haben, ist eine glasklare Antwort an Putin, aber es ist auch eine glasklare Richtungsweisung an die Menschen in unserem Land: Wir sind wirtschaftlich stark, und diese wirtschaftliche Stärke mobilisieren wir, wenn es erforderlich ist, so wie jetzt. Wir haben einen Abwehrschirm gegen diesen Energiekrieg in wirtschaftlicher Hinsicht beschlossen, um die Folgen der Knappheiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft abzufedern und um Zeit zu gewinnen, um uns auf eine neue Normalität nach dieser Krise vorzubereiten.“

Schnelle Hilfe gefordert

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bewertet den geplanten Abwehrschirm als gute Nachricht, er müsse aber rasch in der angespannten Realität ankommen. Der Präsident der DIHK Peter Adrian sieht die nationale Wirtschaft vor existenziellen Problemen. „Die von der Bundesregierung angekündigten 200 Milliarden Euro sind ein wichtiges Signal, um mit den enormen wirtschaftlichen Belastungen umzugehen“, so Adrian und fügt hinzu: „Denn die hohen Gas- und Strompreise sind für viele Unternehmen ein existenzielles Problem.“ Dies gelte längst nicht mehr nur für die energieintensive Industrie, sondern auch für die Breite der Wirtschaft. Nach Adrians Einschätzung sei es deshalb „eine gute Nachricht, dass die Bundesregierung jetzt ein Stoppschild setzen will gegen den unkontrollierten Energiepreisanstieg“. Der DIHK-Präsident stellt klar: „Ohne Energie kann keine Wirtschaft laufen. Deshalb müssen wir parallel die Anstrengungen zur Steigerung des Energieangebots intensiv fortsetzen. Der Verzicht auf die Gasumlage bedeutet für die Wirtschaft nicht nur finanzielle Entlastung, sondern auch bürokratische Erleichterungen.“

(Christian Esser)

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