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Operation kindgerecht und sicher: Herausforderungen der Anästhesiologie

by Redaktion
Mehr als 500.000 Kinder unter 16 Jahren sind 2016 stationär operiert worden. Die Zahl der ambulanten Operationen liegt Schätzungen nach noch deutlich höher. copyright: pixabay

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Und deswegen benötigen sie bei der Vorbereitung auf eine Operation und bei einer Narkose besondere Aufmerksamkeit. Das betrifft die medizinische Vorgehensweise und den Umgang mit ihnen. Wenn Kinder operiert werden, ist die Situation für die Eltern besonders belastend. Sie geben das Wohl ihres Kindes in die Hände anderer und sind selbst machtlos.

Und für die Kinder stellt eine Operation immer eine Ausnahmesituation dar. Unbekannte Räumlichkeiten, fremde Gesichter, Nüchternheit und viele medizinische Geräte, die Angst machen können. Auch die Anforderungen an die medizinische Versorgung sind bei Kindern besonders hoch. Das gilt für den Operateur, und das gilt insbesondere für die Anästhesie. Das Ziel aller ist eine Operation, die erfolgreich verläuft und für das Kind und die Eltern so angenehm und so reibungslos wie möglich ist.

Fundiert entscheiden bei der Narkose

Wenn Kinder operiert werden, dann gelten andere Voraussetzungen als bei einem Eingriff an einem Erwachsenen. Unterschiede gibt es zum Beispiel im Bereich der Atmung, in den noch nicht ausgereiften Organfunktionen und bei der Herz-Kreislauf-Regulation. Auch die Regulation der Körpertemperatur ist anders als bei Erwachsenen. Dabei gilt, dass das Risiko für Komplikationen während einer Narkose umso höher ist, je kleiner das Kind ist.

Und dann ist da noch die individuelle Gesundheit, von der die medizinische Behandlung abhängt. Ob eventuelle Vorerkrankungen oder familiäre Dispositionen vorliegen, die bei der Narkose berücksichtigt werden müssen, wird durch eine eingehende Anamnese und Voruntersuchung mit dem Anästhesisten geklärt.

Im Vorgespräch werden alle infrage kommenden Anästhesieverfahren vorgestellt und der aktuelle Gesundheitszustand des Kindes beurteilt. Auf Basis aller Faktoren wird den Eltern dann ein Narkosekonzept empfohlen. Auf diese Weise erreicht man die größtmögliche Sicherheit und kann eine optimale medizinische Versorgung gewährleisten. Für Eltern und Kinder ist dieses Gespräch die beste Gelegenheit, alle Fragen zu klären und sich umfassend über das Thema Narkose zu informieren.

Stationär oder ambulante Operation?

Quelle: Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern (4-Steller) Auszug und verändert dargestellt aus Tabelle 1.1.1, Statistisches Bundesamt (Destatis), 23.10.2017

Quelle: Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern (4-Steller) Auszug und verändert dargestellt aus Tabelle 1.1.1, Statistisches Bundesamt (Destatis), 23.10.2017

Viele Eingriffe, die noch vor Jahren einen stationären Aufenthalt notwendig gemacht haben, werden heute auch ambulant, also ohne Übernachtung in einer Klinik, durchgeführt. Bei Kindern gilt grundsätzlich, dass ein ambulanter Eingriff weniger irritierend ist als ein stationärer Aufenthalt, und sei es auch nur für eine Nacht. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Kind kann nach der Operation nach Hause zurück und muss sich nicht mit einer fremden und gänzlich ungewohnten Umgebung auseinandersetzen.

Dennoch sollte ein Eingriff nur dann ambulant stattfinden, wenn dies auch bedenkenlos empfohlen werden kann. Gibt es dagegen Faktoren, die eine ambulante Behandlung als risikobehaftet erscheinen lassen, dann ist die (kurz-)stationäre Aufnahme dringend angeraten. Das Übernachten in einer fremden Umgebung ist dabei aller Erfahrung nach für die Kinder kein Problem. Kliniken sind in der Regel darauf eingestellt, dass bei stationären Aufenthalten von Kindern eine Begleitperson im selben Zimmer übernachtet.

Das Ziel: Sich wohlfühlen

Bei Kindern jeden Alters sind vor allem zwei Faktoren für das Wohlbefinden ausschlaggebend: die Vorbereitung auf die Operation und das Gefühl der Sicherheit direkt vor dem Eingriff. Je kleiner das Kind, desto wichtiger ist das konkrete Erleben der Situation direkt vor dem Eingriff. Auch wenn ein Kleinkind schon sprechen kann, kann es meist noch nicht verstehen, was es heißt, krank zu sein. Und Erklärungen, weswegen eine Operation notwendig ist und was sie bewirken soll, sind meist eine Überforderung. Auch Kinder sollten gut informiert werden über das, was auf sie zukommt.

Die Erfahrungen zeigen: Werden Kinder gar nicht oder nur unzureichend auf die neue Situation vorbereitet, dann fühlen sie sich überrumpelt und reagieren nicht selten überängstlich, abwehrend und unkooperativ. Je besser die Eltern selbst informiert sind, desto besser können sie ihr Kind ans Thema heranführen und seine Fragen beantworten. Unklarheiten oder offene Fragen sollten sie unbedingt mit dem operierenden Arzt bzw. mit dem Narkosearzt abklären.

Bezugspersonen äußerst wichtig

Kinder benötigen bei der Vorbereitung auf eine Operation besondere Aufmerksamkeit copyright: pixabay

Kinder benötigen bei der Vorbereitung auf eine Operation besondere Aufmerksamkeit
copyright: pixabay

Das Wichtigste für ein Kind jeden Alters ist die Nähe einer Bezugsperson. Besonders positiv wirkt es sich aus, wenn eine Vertrauensperson bei dem Kind bleibt, bis es schläft und in den Operationssaal gebracht wird. Dort ist während der gesamten Operation ein in der Kinderanästhesie erfahrener Anästhesist anwesend. Der Anästhesist steuert die Narkosetiefe, die Beatmung und überwacht die Kreislauffunktion.

Die Anwesenheit der Bezugsperson hat einen weiteren Vorteil. Weil sich das Kind nicht alleingelassen fühlt, kann in vielen Fällen auf die Gabe von Beruhigungsmitteln vor der Operation verzichtet werden. Die Kinder erleben die Vorbereitungen zur Narkose bewusst, ohne dass sie eine Benommenheit spüren, deren Ursache sie selbst nicht einschätzen können. Das erleichtert die Verarbeitung der gesamten Situation. Und es führt auch dazu, dass die Kinder nach der Operation, wenn sie ausgeschlafen haben, auch die postoperative Phase bewusst miterleben und wieder entlassen werden können, wenn sie nach Einschätzung der verantwortlichen Ärzte einen ausreichenden Grad der Wachheit erreicht haben.

Wenn aus dem OP-Saal ein Raumschiff wird

Kinderanästhesisten sind speziell ausgebildet, um das Erleben eines operativen Eingriffs für Kinder und Eltern möglichst stressfrei zu gestalten. Gemeint ist damit ein besonders empathischer und kindgerechter Ablauf. Das fängt mit den einfachen Dingen an. Wer in die Knie geht und sich auf Augenhöhe mit den Kindern bewegt, der tut schon viel, um die Distanz klein zu halten.

Generell werden die unangenehmen Dinge, die erforderlich sind, ganz entspannt und wie „nebenher“ durchgeführt. Da wird aus einem OP schon mal ein Raumschiff. Und das Pflaster, mit dem die Einstichstelle für die Injektion des Narkosemittels schon vorher örtlich betäubt wird, hat wahrhaft magische Kräfte. Kinder, die gerne lesen oder sich vorlesen lassen, lenkt man zum Beispiel mit Bilderbüchern ab. Andere behalten ihr Lieblingskuscheltier oder ihr Lieblingsspielzeug im Arm. Ist die Narkose-Vorbereitung abgeschlossen, erfolgt das sanfte Einschlafen im Beisein der Eltern bzw. Bezugsperson.

Und nach der Operation?

Nach der Operation geht die Betreuung der kleinen Patienten weiter. copyright: pixabay.com

Nach der Operation geht die Betreuung der kleinen Patienten weiter.
copyright: pixabay.com

Die Überwachung der kleinen Patienten im Aufwachraum ist sehr engmaschig. Fachpflegekräfte für Anästhesiologie und Intensivmedizin betreuen die Kinder sehr aufmerksam, ein Facharzt für Anästhesie ist direkt in der Nähe. Kinder wachen meistens nur langsam aus der Narkose auf. Das ist durchaus gewünscht, damit Unruhezustände vermieden werden. Und um Schmerzen zu vermeiden, bekommen Kinder vielfach schon während der Narkose ein schmerzstillendes Mittel, das den ersten Schmerz unterdrückt. Besonders willkommen ist auch hier die Anwesenheit eines Elternteils oder einer Vertrauensperson, damit die Kinder beim Aufwachen die notwendige Geborgenheit erleben.

Sind die Patienten wach und können nach einer ambulanten Operation nach Hause gehen, kann mit der Betreuung nicht Schluss sein. Auch zu Hause können Situationen auftreten, in denen die betreuenden Personen unsicher werden und Rat brauchen. Eine telefonische Nachbetreuung durch eine Tag und Nacht erreichbare Notfall-Telefonnummer ist daher immer angeraten.

In der Anästhesiologie gilt: Üben, üben, üben …

Auch für das ärztliche und für das pflegerische Personal sind Operationen bei Kindern eine besondere Herausforderung. Viele Anästhesie-Teams bereiten sich in speziellen und vor allem regelmäßigen Notfallschulungen auf den Umgang mit den kleinen Patienten vor. Und sie trainieren dabei die verschiedensten kritischen Situationen, damit im Ernstfall die Kommunikation zwischen den Ärzten und den Mitarbeitern schnell und reibungslos läuft. Für Missverständnisse ist, wenn es wirklich zu einem Notfall kommt, keine Zeit. Fester Bestandteil solcher Notfallschulungen ist auch die Betreuung der Angehörigen.

Was am Ende den Erfolg ausmacht, ist auch die Erfahrung. In vielen Ländern haben sich Kinderanästhesie-Gesellschaften gegründet, die sich intensiv mit dem für diesen Teilbereich der Anästhesiologie relevanten medizinischen Fortschritt befassen und ein Forum bieten für die Fachärzte und das pflegerische Personal. Auch die Kliniken haben sich mit den spezifischen Anforderungen auseinandergesetzt. Kliniken, in denen häufig Kinder operiert werden, richten sich darauf ein, dass Kindernarkosen anders ablaufen. Und sie schaffen eine ruhige Atmosphäre, die dennoch unnötiges Warten vermeidet.[divider style=“solid“ top=“20″ bottom=“20″]

Gastautor: Tom Kurthen – Facharzt für Anästhesiologie Klinik LINKS VOM RHEIN

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