Was uns nun bevorsteht – Babyboomer gehen in Rente

by Redaktion

Der demografische Wandel ist eines der bedeutendsten Probleme für die Wirtschaft in der aktuellen Zeit. Wir werden älter und wir werden weniger. Da reicht eine einfache Rechnung, um zum Schluss zu kommen, dass ohne Gegenmaßnahmen Arbeitskräfte fehlen und u. a. die Rentenlücke wächst. Es fehlt also in der Folge an Manpower und es fehlt an Geld in den gesamten sozialen Sicherungssystemen. Eine IW-Studie vom 14. Oktober 2024 zeigt die Details zum Stichwort Babyboomer.

Seit den 1970ern sei klar gewesen, dass der demografische Wandel unweigerlich bevorstehe. Doch in den 2010er-Jahren haben die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, das stabile Wirtschaftswachstum sowie die Flüchtlingsbewegung von 2015 und 2016 durch die Kriege in Syrien und dem Irak zu einem veränderten demografischen Ausblick geführt. Die anhaltenden Wanderungsgewinne in Kombination mit der Erwartung über zukünftige Wanderungsgewinne haben die demografische Perspektive verändert: Statt Schrumpfung erscheine nun ein weiterer Anstieg des Bevölkerungsstands in Deutschland als wahrscheinlich (so der IW Senior Economist Dr. Philipp Deschermeier in 2016). Auch die Bundesregierung habe diese Einschätzung geteilt (so das Bundesministerium des Inneren und der Heimat in 2017), die zentrale demografische Herausforderung bleibe jedoch von der Zuwanderung unberührt: die Alterung der Gesellschaft.

Die ersten Babyboomer haben bereits das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht. Im Jahr 2036 werden sie vollständig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sein. Der Geburtenjahrgang 1964 mit 1,4 Millionen Lebendgeborenen sei der geburtenstärkste Jahrgang der Bundesgeschichte gewesen. Ende der 1960er-Jahre sei ein starker Rückgang der Geburtenzahlen gefolgt (umgangssprachlich auch als „Pillenknick“ bekannt). Anhaltend niedrige Geburtenraten und die steigende Lebenserwartung von Männern und Frauen hätten die Altersstruktur in der Folge nachhaltig verändert. Denn die Größe der Alterskohorten der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre sei seitdem in Deutschland nie wieder erreicht worden. Somit bilden die Babyboomer-Jahrgänge den Schwerpunkt der Altersverteilung.

So geht’s weiter

Die Babyboomer-Generation sei im Jahr 2022 auf Basis einer eigenen Fortschreibung des Zensus 2022 mit etwa 19,5 Millionen Personen zu beziffern. Auf Grundlage dieser Fortschreibung hat das Institut der deutschen Wirtschaft eine Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2040 erstellt (Deschermeier, 2024). Demnach werde sich der Bevölkerungsstand Deutschlands bis 2040 um 2,3 Prozent auf etwa 85 Millionen Einwohner erhöhen. Das Arbeitskräftepotenzial nehme im selben Zeitraum allerdings um fast 3 Millionen Personen ab. Deutschland ist mittendrin im demografischen Wandel. Der Übertritt der Babyboomer vom Erwerbs- ins Rentenalter hat einen über die Zeit zunehmenden demografischen Druck auf den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme zur Folge.

In Summe sollen Ende 2022 bereits etwa 3,1 Millionen Babyboomer das Renteneintrittsalter erreicht haben. Über den Prognosehorizont bis 2040 beschleunige sich die Entwicklung insbesondere in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre. 2036 würden dann alle verbliebenen etwa 16,5 Millionen Babyboomer das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht haben. Den 19,5 Millionen Babyboomern aus dem Jahr 2022, die bis 2036 vollständig das Renteneintrittsalter erreichen würden oder verstorben sein würden, stehe ein Zugang junger Personen zum Arbeitskräftepotenzial im gleichen Zeitraum in Höhe von nur etwa 12,5 Millionen gegenüber. Diese Lücke von 6,5 Millionen Menschen muss auch erst mal geschlossen werden. Es seien laut der IW-Studie auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2022 etwa 51 junge und ältere Personen gekommen. Im Jahr 2040 werden es demnach etwa 63 Personen sein.

Da das Arbeitskräftepotenzial im Zuge der Verrentung der Babyboomer stark sinke, müsse es entweder durch Zuwanderung vergrößert werden, oder das bestehende Potenzial müsse besser ausgeschöpft werden. Gelinge das nicht, würden eine Abnahme des Potenzialwachstums und damit einhergehende Wohlstandsverluste drohen. Diese Wohlstandsverluste würden nicht nur die Konsummöglichkeiten der Erwerbstätigen verringern. Sie würden auch den Umfang der Leistungen begrenzen, der für Umverteilung zum Beispiel für soziale Zwecke zur Verfügung steht. Somit würden verschärfte Verteilungskonflikte drohen – nicht zuletzt, weil der Anteil der nicht arbeitenden Bevölkerung deutlich zunehme. Das Arbeitskräftepotenzial müsse also entweder durch Zuwanderung vergrößert werden, oder das bestehende Potenzial müsse besser ausgeschöpft werden. Visavergabe oder Anerkennung von Berufsabschlüssen sei aber ein Problem bei der Fachkräftesicherung aus dem Ausland. Hinzu komme, dass traditionelle osteuropäische Herkunftsländer der Zuwanderung nach Deutschland erstens selbst niedrige Geburtenraten aufweisen würden und zweitens der Wohlstandsunterschied und damit der Migrationsanreiz abnehme. Fluchtmigration im Kontext von Krisen und Kriegen könne keine tragende Säule einer Zuwanderungsstrategie sein, zumal die Integration in den Arbeitsmarkt hierbei eine erheblich größere Herausforderung darstelle als bei der Fachkräftezuwanderung. Maßnahmen, die auf eine bessere Ausschöpfung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials abzielen würden, könnten über eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung oder eine Ausweitung der individuellen Arbeitszeit wirken. Ein internationaler Vergleich zeigt, dass in Deutschland vor allem Potenzial bei der Verlängerung der Arbeitszeit bestehe. Die Erwerbsbeteiligung sei dagegen bereits überdurchschnittlich hoch. Es erscheine indes fraglich, ob es gelingen werde, das Potenzial bei der Verlängerung der Arbeitszeit auszuschöpfen. Erstens haben Arbeitnehmer überwiegend einen Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten. Zweitens müssten geeignete Maßnahmen die Veränderung langfristig eingeübter Verhaltensmuster erreichen. Der Höhepunkt der Babyboomer-Verrentung drohe aber schon in sieben Jahren.

(Karoline Sielski)

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