Guter alkoholfreier Wein galt lange als zu kompliziert in der Herstellung. Dank neuer aromaschonender Verfahren etablieren sich nun geschmackvolle Alternativen.
Oftmals bleibt dabei jedoch unberücksichtigt, dass sich parallel ein dynamisch wachsender Markt für alkoholreduzierte und alkoholfreie Alternativen entwickelt. Diese verzeichnen mitunter zweistellige Wachstumsraten, werden von Weinliebhabern jedoch häufig noch belächelt oder gar als bloße Modeerscheinung abgetan. Doch ist diese Skepsis berechtigt?
Wir wollten herausfinden, was hinter dem Trend zu alkoholfreien Speisebegleitern steckt. Befindet sich die Branche tatsächlich in einer tiefen Krise, oder erleben wir vielmehr das altbekannte Phänomen, dass traditionelle Unternehmen Innovationen und Veränderungen zögerlich begegnen und zu lange an etablierten Strukturen festhalten?
Zu diesem Thema sprachen wir mit Stephan Kamps, einem Unternehmer mit Kölner Wurzeln und Befürworter alkoholfreier sowie alkoholreduzierter Alternativen. Er ist Gründer von „Le Virage“, einem Unternehmen, das sich auf die Herstellung hochwertiger Roséweine spezialisiert hat – selbstverständlich mit reduziertem oder gänzlich ohne Alkoholgehalt.
Interview mit Stephan Kamps: Die Zukunft alkoholfreier Weinalternativen
Die Wirtschaft: Herr Kamps, der Weinkonsum befindet sich im Wandel und viele Stimmen sprechen bereits von einer Krise der Branche. Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?
Stephan Kamps: Tatsächlich beobachten wir eine Veränderung im Konsumverhalten. Während der klassische Weinkonsum rückläufig ist, wächst der Markt für alkoholreduzierte und alkoholfreie Alternativen rasant. Dies ist keine vorübergehende Erscheinung, sondern spiegelt eine zunehmende Nachfrage nach bewusstem Genuss wider.
Die Wirtschaft: Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen „Le Virage“ in diesem Markt?
Stephan Kamps: Mit „Le Virage“ haben wir uns auf die Herstellung hochwertiger Roséweine nur aus den klassischen Rosé-Regionen in Frankreich spezialisiert, die entweder alkoholfrei oder alkoholreduziert sind. Unser Ziel ist es, einen neuartigen Genuss auf höchstem Niveau zu ermöglichen, ohne dabei auf Qualität oder Raffinesse zu verzichten. Wir legen großen Wert auf handwerkliche Perfektion, geschmackliche Tiefe und Komplexität.
Die Wirtschaft: Wie sehen Sie die Zukunft alkoholfreier Weinalternativen?
Stephan Kamps: Ich bin überzeugt, dass sich der Markt weiter etablieren wird. Die Nachfrage nach bewussten Genussformen steigt kontinuierlich, und sowohl die Technologie in der Herstellung als auch die sensorische Qualität entwickeln sich rasant. In einigen Jahren werden facettenreiche alkoholfreie Alternativen fester Bestandteil der Wein- und Getränkekultur sein – nicht als Ersatz, sondern als Bereicherung.
Die Wirtschaft: Dennoch werden alkoholfreie Weine von vielen Weinkennern nach wie vor kritisch betrachtet. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Stephan Kamps: Tradition spielt in der Weinbranche eine große Rolle. Viele Enthusiasten sind skeptisch gegenüber Innovationen, insbesondere wenn diese ein zentrales Element – den Alkohol – betreffen. Allerdings zeigen aktuelle Entwicklungen, dass qualitativ hochwertige Alternativen zunehmend Anerkennung finden. Entscheidend ist, dass diese Produkte nicht als Ersatz, sondern als eigenständige Kategorie wahrgenommen werden.
Die Wirtschaft: Warum ist es notwendig, ein Produkt so aufwendig herzustellen wie Wein, nur um es anschließend durch Entalkoholisierung geschmacklich zu verändern und zudem mit höheren Kosten zu versehen?
Stephan Kamps: Das ist eine kritische, aber durchaus berechtigte Frage – insbesondere aus der Perspektive eines Weinenthusiasten.
Lassen Sie mich zunächst aus Sicht der Konsumenten antworten, die keinen Alkohol konsumieren möchten. Wer heute bei einem formellen Anlass anstoßen möchte, hat in der Regel die Wahl zwischen Wasser, Softgetränken, Fruchtsäften oder Tees. Diese Alternativen sind entweder geschmacklich wenig komplex oder aufgrund ihres hohen Zuckergehalts gesundheitlich bedenklich.
Ein hochwertiger entalkoholisierter Wein hingegen kann, wenn er sorgsam und vorsichtig verarbeitet wird, auch ohne Alkohol seine geschmackliche Tiefe bewahren. Dadurch entsteht eine völlig neue Produktkategorie, die sich von den bisherigen alkoholfreien Alternativen deutlich abhebt. Zudem weist unser Produkt im Vergleich zu Fruchtsäften oder Softdrinks einen deutlich geringeren Zucker- und Kaloriengehalt auf und stellt somit eine gesündere Wahl dar.
Auch für Weinliebhaber kann die Entalkoholisierung von Vorteil sein. Seit dem Jahr 2000 lässt sich z.B. im Weinbau der Côtes de Provence ein Anstieg des Alkoholgehalts feststellen – eine direkte Folge des Klimawandels. Höhere Temperaturen und veränderte Wetterbedingungen führen dazu, dass Trauben schneller reifen, mehr Zucker entwickeln und gleichzeitig an Säure verlieren. Dies resultiert in Weinen mit einem höheren Alkoholgehalt.
Wer heute einen Wein mit demselben Alkoholgehalt wie im Jahr 2000 genießen möchte, kommt um moderne Entalkoholisierungsverfahren nicht herum. Aus diesem Grund bieten wir beispielsweise einen Rosé mit lediglich 5 % Alkohol an – eine bewusste Wahl, um Weinliebhabern eine leichtere, aber dennoch geschmacklich anspruchsvolle Alternative zu bieten.
Die Wirtschaft: Herr Kamps, handelt es sich bei den von „Le Virage“ hergestellten Weinen tatsächlich noch um „echten Wein“?
Stephan Kamps: Nicht nur, aber auch! Entscheidend ist für mich die Art der Herstellung.
Die Wirtschaft: Können Sie das näher erläutern?
Stephan Kamps: Es gibt alkoholfreie Getränke, die den Charakter von Wein lediglich imitieren. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Traubensaft nie vergoren wurde. Auch wenn es sich dabei um qualitativ hochwertige Getränke handeln kann, haben sie mit der jahrhundertealten Tradition der Weinherstellung nichts zu tun.
Bei „Le Virage“ ist das anders. Unsere exklusiven Getränke basieren auf hochwertigen Rosé-Weinen aus der renommierten Côtes de Provence Region. Der grundsätzliche Herstellungsprozess des Weines bleibt dabei unverändert. Das ist wichtig, damit sich die primären und sekundären Aromen entwickeln können. Die gilt es, möglichst umfangreich zu erhalten. Zur schonenden Reduzierung des Alkohols wird dann das traditionelle Handwerk der Weinerstellung um weitere Verfahrensschritte ergänzt. Das Ergebnis: ein facettenreiches Geschmackserlebnis, das die Eleganz und Tiefe eines Weins bewahrt – ganz ohne Alkohol. Unsere Kreationen stellen jetzt endlich auch eine echte Alternative für Weinfreundinnen und Weinfreunde dar, die situationsbedingt Prozente reduzieren oder auch mal gänzlich auf sie verzichten möchten.
Die Wirtschaft: Sie betonen, Ihre Getränke seien «auch» eine Alternative für Weinfreunde. An wen denken Sie denn noch?
Stephan Kamps: Unabhängig von der Fangemeinde klassischer Weine sehen wir gerade bei jüngeren Menschen den zunehmenden Trend, sich gesünder und bewusster ernähren zu wollen. Dazu gehören auch weniger Zucker und weniger bis gar keinen Alkohol. Die Rede ist hier insbesondere von der Gen «Alpha», aber auch noch von Teilen der Gen «Z». Genau das bekommt die Branche gerade deutlich zu spüren. Diese Gruppe hat mitunter noch keine Erfahrung mit Wein gemacht oder lehnt diese ab. Sie ist aber nicht weniger als vorangegangene Generationen an komplexen Aromen und vielfältigen Geschmackserlebnissen interessiert.
Als innovatives Startup haben wir uns also zwei wichtige Missionen zur Aufgabe gemacht: Erstens: Für Weinenthusiasten facettenreiche Geschmackserlebnisse zu bieten, die trotz weniger Alkohol die Eleganz und Tiefe eines Weines bewahren. Zweitens: Für die Gen «Alpha» steht LeVirage für Qualität, Raffinesse und eine gänzlich neue Art, Genuss zu definieren. Insgesamt perfekt für alle, die bewusst genießen und dennoch nicht auf komplexe Aromen verzichten möchten.
Die Wirtschaft: Warum tun sich dennoch viele Menschen schwer mit alkoholfreien oder alkoholreduzierten Weinen?
Stephan Kamps: Obwohl der Markt wächst, stehen wir immer noch am Anfang dieser Entwicklung. Einige frühere Produkte konnten qualitativ nicht überzeugen, und wer einmal enttäuscht wurde, wird sich schwertun, dem Konzept eine zweite Chance zu geben – das gilt sowohl für Konsumenten als auch Gastronomen, Eventveranstalter, Retailer und Produzenten.
Hinzu kommt, dass die aufwendige Verarbeitung die Kosten erhöht, sodass die Preise aktuell noch über dem Durchschnitt liegen. Aller Anfang ist eben schwer. Mit steigender Qualität wird aber auch die Akzeptanz weiter wachsen, was wiederum das Angebot ausweitet und langfristig auch die Produktionskosten senken wird.
Bereits heute erkennen immer mehr gehobene Restaurants die Qualität und das Potenzial hochwertiger alkoholfreier oder alkoholreduzierter Weine als facettenreiche Essensbegleiter – auch wenn es derzeit noch wenige Anbieter gibt, die in diesem Bereich wirklich herausragende Produkte liefern. Ich bin überzeugt, dass sich diese neue-Getränke Kategorie etablieren wird.
Die Wirtschaft: Was macht Sie so zuversichtlich?
Stephan Kamps: Zum einen das durchweg positive Feedback. Wir hatten dieses Jahr als Startup zum ersten Mal die Chance, auf der führenden Weinmesse «ProWein» in Düsseldorf, unseren «Le Zéro» in der «World of Zero» von Meininger dem Fachpublikum präsentieren zu können. Zum anderen die Absatzzahlen. Obwohl wir erst seit Februar das fertige Produkt auf Lager haben, ist bereits ein grosser Teil der diesjährigen Produktion verkauft.
Die Wirtschaft: Überrascht Sie das?
Stephan Kamps: Ein wenig schon, da wir in der kurzen Zeit noch keine großen Vertriebsstrukturen aufbauen und wir nur wenige Gespräche führen konnten. Ein wenig stolz sind wir auch darauf, dass Mövenpick uns quasi aus dem Stand ins Programm aufgenommen hat. Überraschend war für uns, dass wir neben klassischen Distributoren auch Unternehmen als Kunden gewinnen konnten, die im Gesundheitsbereich tätig sind und die den Wein für ihre Firmenevents geordert haben. Ein Markt, den wir vorher so deutlich nicht gesehen haben. Immer mehr Unternehmen rücken aus Compliance Gründen von Alkohol im Unternehmen ab, was uns wiederum darin bestärkt, dass der Trend sich weiter fortsetzen wird.
Die Wirtschaft: Was macht Le Virage denn anders als andere Konkurrenten im Markt?
Stephan Kamps: Le Cinq und Le Zéro sind derzeit die einzigen «low & no alcohol» Premium-Weine auf dem Markt, deren Basis ein erstklassiger Rosé-Wein der Côtes de Provence ist. Darin liegt zwar auch der überdurchschnittliche Preis begründet, aber man bekommt auch einen entsprechenden Wert. Das Ergebnis spricht für sich.
Die Wirtschaft: Was plant ihr junges Unternehmen für nächste Schritte? Wo soll die Reise hingehen?
Stephan Kamps: Wie bereits gesagt sind wir aktuell dabei Vertriebsstrukturen zu etablieren. Köln ist aufgrund seiner urbanen, jungen und ernährungsbewussten Bevölkerung ein interessanter Markt für uns. Wir müssen nun eruieren, wie wir Partner in der klassischen Wein Distribution, im Event & Gastrobereich aber auch im Bereich Fitness & Healthcare erreichen.
Internet: www.levirage.wine
Instagram: levirage.wine
LinkedIn: Le Virage GmbH
E-Mail: info@levirage.wine
Tel: +41 79 901 5884
Bildquellen
- Alkoholfreier Wein: L‘Virage
- Alkoholfreier Wein 2: L‘Virage
- Stephan Kamps und Anita Forjette: L‘Virage