Kaum ein Verein bzw. das Gemeinwesen würde ohne die tatkräftige Unterstützung von ehrenamtlichen Mitbürgern funktionieren. Auch Firmen helfen häufig mit erheblichen finanziellen Mitteln. Hier eröffnen sich zudem weitere Felder des Engagements. Das Knowhow vieler Firmenchefs könnte unzähligen Institutionen und Vereinen zugutekommen. Dabei spielt die Zeit meist die entscheidende Rolle. Aber vielleicht kann das Beispiel eines ehrenwerten Bürgers davon überzeugen, über das finanzielle Engagement hinaus zu gehen und ein für alle Beteiligten befriedigendes Engagement anzugehen.
Der ehrenwerte Bürger, den wir heute vorstellen möchten, ist Hans Ehle, die Seele des Boxverein S.C. Colonia06 e.V., eines der erfolgreichsten und größten Amateur-Boxvereine Deutschlands. Dort wirkt Hans Ehle nicht nur als ehrenamtlicher Geschäftsführer und in die komplette Verästelung des Vereins mit tausenden organisatorischen Details, sondern kümmert sich seit Jahrzehnten insbesondere um Kinder aus allen Gesellschaftsschichten, die in besonderer, vorbildlicher Art und Weise in den Verein integriert werden. Wir möchten Hans Ehle aus einer Reihe von vielen anderen, die sich in Köln besonders ehrenamtlich hervortun, vorstellen, um aufzuzeigen, welcher Segen im Ehrenamt liegt.
DIE WIRTSCHAFT: Herr Ehle, Sie sind jetzt seit 56 Jahren Mitglied im Boxclub Colonia 06, seit vielen Jahren im Vorstand und seit 2016 Geschäftsführer des größten Boxclubs Deutschlands. Darin beschränkt sich aber nicht Ihr Aufgabenbereich. Sie sind eher in erster Linie die gute Seele des Vereins, sind seit Jahrzehnten ehrenamtlich tätig, holen viele Jugendliche und Kinder von der Straße und integrieren sie im Verein, nehmen sie in Ihre Obhut. Was hat Sie dazu gebracht, sich derart intensiv um viele Problemkinder zu kümmern?
Hans Ehle: Mein Vater starb, als ich 13 Jahre alt war, wir waren nach dem Tod des Vaters absolut mittellos, und damit begann für mich der Kampf des Lebens. Mein Vater hatte mich frühzeitig bei Colonia 06 angemeldet, was für mich letztlich das Beste war, was mir passieren konnte. Denn die Tatsache, dass ich im Verein war, hat mich wohl vor vielen Dummheiten bewahrt. Ich erhielt dadurch auch eine dauerhaft schützende Hand durch die vielen Freunde im Verein, der Verein war sozusagen ein Vaterersatz. Aus diesen Verhältnissen kommen übrigens viele Mitglieder und ich fühle mich gut dabei, den Jungs unter die Arme zu greifen und zu führen, damit sie im Leben bestehen können.
Wer sich einbringt, kriegt es doppelt zurück
DIE WIRTSCHAFT: Was war Ihre Motivation, sich so stark ehrenamtlich zu betätigen?
Hans Ehle: Durch das, was mir der Verein gab, ergab sich für mich eine Verpflichtung, das zurückzugeben an andere, die es nötig hatten. Viele, die das Vereinsleben nicht kennen, wissen gar nicht, was ihnen damit entgeht. Vereinsleben kann die psychosoziale Institution des Lebens sein. Ohne unsere vielen Helfer und unseren engagierten Trainerstab würde das alles nicht funktionieren. Wer sich einbringt, kriegt es doppelt zurückgezahlt.
DIE WIRTSCHAFT: Welche Bereitschaft muss man dazu mitbringen?
Hans Ehle: Man muss einfach Menschen unvoreingenommen mögen, egal welche, keine Vorurteile gegen niemand, man muss aber auch ein Höchstmaß an Empathie mitbringen, ohne das geht’s gar nicht. Und in jeder Beziehung uneigennützig ticken.
DIE WIRTSCHAFT: Welche Befriedigung bringt Ihnen das?
Hans Ehle: Es gibt mir eine starke innere Befriedigung, dass es anderen Menschen gut geht. Wenn es anderen Menschen gut geht, geht’s auch mir gut. Wenn ich dazu beitragen kann, und sehe, dass es wieder mal funktioniert hat, ist das ein unbezahlbarer Gefühlsmoment. Klar, es gibt auch Enttäuschungen und Rückschläge, aber so ist nun mal das Leben.
DIE WIRTSCHAFT: Manch einer fragt sich, könnte ich das auch so umsetzen wie Hans Ehle?
Hans Ehle: Prinzipiell kann das jeder machen, die wichtigsten Voraussetzungen habe ich ja schon erwähnt. Es gibt genügend Menschen, die ein unerfülltes Leben führen. Nur sich selbst zu genügen, genügt eben vielen Menschen nicht mehr. Und was ist schöner im Rückblick, als vielen Menschen geholfen zu haben?
Bürokratie ein Hemmnis für ehrenamtliche Arbeit
DIE WIRTSCHAFT: Gibt es genug Ehrenamtler?
Hans Ehle: Leider nicht. An der Gesellschaft liegt das, aber auch an der Politik. Mancher möchte ja helfen, aber leider ist vieles zu umständlich. Die Bürokratie ist oft das größte Hemmnis, vielen wird damit auch die Motivation genommen, sich nachhaltig zu engagieren. Für manche noch so geringfügige staatliche Unterstützung muss man einen unvorstellbaren Papier- und Zeitaufwand betreiben. Dabei bin ich noch in der glücklichen Lage, die richtige Frau an meiner Seite zu haben, denn ohne diese fachliche Unterstützung würde es eigentlich nicht funktionieren, es wäre sonst ein Fulltimejob.
DIE WIRTSCHAFT: Was macht den Verein Colonia 06 so erfolgreich?
Hans Ehle: Alle Mitglieder und Trainer erhalten eine Basis, sich im Verein wohlzufühlen, dazu gehört auch engagierte Unterstützung. Man hört sich die Sorgen und Nöte der einzelnen Mitglieder an. So entsteht eine innere Verbindung, das überzeugt und festigt die Beziehung zum Club. So entsteht eine sehr intensive Grundbeziehung, die sich auf das gesamte Gefüge des Vereins überträgt. Und was letztlich auch den konstanten Erfolg des über 500 Mitglieder zählenden Vereins ausmacht.
DIE WIRTSCHAFT: Wie würden Sie den Verein charakterisieren?
Hans Ehle: Das Besondere am Verein ist, dass er mehr ist als nur irgendein Boxverein, sondern die Schmiede fürs Leben. Die Jungs kriegen ja nicht nur Boxen beigebracht, sondern es wird dafür gesorgt, dass sie sich auch in die Gesellschaft integrieren, es wird sich echt darum gekümmert, denn jeder hat eine zweite Chance verdient. Und wir geben so schnell nicht auf. Wir helfen, geben aber auch klare Ansagen, ohne die geht’s auch nicht.
DIE WIRTSCHAFT: Was unterscheidet den Boxclub Colonia 06 von anderen Vereinen?
Hans Ehle: Es kommt auf den Kopf und auf die Köpfe des Clubs an, das ist leider so, man muss sich 100 Prozent mit dem Verein identifizieren. Bei mir ist es so, dass mein Verein auch mein Elternhaus ist. Von daher ist die Beziehung schon sehr tief.
Vereine leben vom Ehrenamt
DIE WIRTSCHAFT: Das Ehrenamt in der von Ihnen gelebten Form ist ja vorbildlich, kann das jeder in Vereinen so umsetzen? Was gehört dazu?
Hans Ehle: Eine hundertprozentige Identifikation mit dem Verein ist die Grundvoraussetzung. Es gibt sicherlich viele Vereine, wo das auch so ist. Viele Vereine stehen und fallen mit dem Kopf an der Spitze.
DIE WIRTSCHAFT: Fast alle Vereine leben von Menschen wie Ihnen, die sich uneigennützig einbringen, ohne würde ja kaum ein Verein funktionieren? Welche Unterstützung sollten die Vereine haben? Welche Aufgaben haben die Vereine?
Hans Ehle: Das ist in der heutigen Zeit leider eine Mentalitätsfrage geworden. Keiner will mehr was umsonst machen, überall wird die Hand aufgehalten. Ein Ehrenamt auf Bezahlung schließt sich ja aus. Allgemein gesprochen ist Unterstützung für die Vereine teilweise betteln auf hohem Niveau. Wir haben noch großes Glück mit unseren namhaften Unterstützern, ohne die der Verein nicht funktionieren würde. Dabei sind Vereine das soziale Rückgrat der Gesellschaft, wie diese ohne Vereine funktionieren würde, ist mir schleierhaft. Von daher macht es sich die Politik zu einfach.
DIE WIRTSCHAFT: Was ist Ihr größter Wunsch?
Hans Ehle: Dass der Boxclub Colonia 06 noch lange so gut funktioniert, wir immer die richtigen, engagierten Unterstützer haben und wir weiterhin vielen Jugendlichen helfen können, im Leben zu bestehen. Und dass sich noch viel mehr Menschen im Ehrenamt engagieren.
Dementsprechend wünschen wir Hans Ehle an dieser Stelle viele Nachahmer, denn ohne Ehrenamt wäre jedes Gemeinwesen aufgeschmissen.
(Eugen Weis)
Stimmen zu Hans Ehle:
„Ich bin in meinem Leben selten auf einen Menschen getroffen, der sich mit so viel Herzblut, Engagement und Hingabe für eine gute Sache einsetzt. Eine Begegnung von einer knappen Stunde hat ausgereicht, um mich nachhaltig zu beeindrucken und zu begeistern. Die Art und Weise, wie Hans Ehle sein Amt versteht, interpretiert und lebt, ist beispielgebend für ehrenamtliches und soziales Engagement. Neben der Begeisterung für den Boxsport stehen vor allem die Probleme der Kinder und Jugendlichen im Fokus seines Tuns und Wirkens. Denn etliche Mitglieder kommen aus sozial schwachen Strukturen und Verhältnissen und müssen sich durchs Leben kämpfen. Hans Ehle bringt ihnen nicht nur bei, wie man die Fäuste im Boxsport treffsicher und fair einsetzt, sondern wie man sich durch Leben „boxt“ – ohne die Fäuste einsetzen zu müssen. Und hier liegt der eigentliche Mehrwert für die jungen Menschen des Vereins.“
Walter Passmann, Unternehmer und Prinz im Dreigestirn Session 2004/2005
„Hans Ehle mein Trainer wurde, war ich so schlecht im Ring, dass beim Schattenboxen mein Schatten gewann. Nach einem halben Jahr hatte ich ein ordentliches Pfund im Schlag und fünf Pfund weniger auf den Rippen. Und einen guten Freund gewonnen! Denn Hans fightet mit Herz! Er führt eine harte Rechte gegen Intoleranz, Rassismus, soziale Missstände und Unrecht. Er lehrt junge Menschen, im Boxring fair zu kämpfen und im Ring des Lebens für Werte, Respekt, Anstand und Rücksichtnahme einzustehen. Er ist ein Vorbild in jeder Hinsicht. Zur Stelle, wo Zivilcourage gefragt ist, da, wenn man ihn braucht, und wofür ich ihn besonders liebe: Nie kommt ihm der Humor abhanden. Allein, wie der gelacht hat, als ich anfangs versucht habe, ihn zu treffen. Bis es mir endlich gelang! Da war er erst recht vergnügt. Denn Hans kann auch eines sehr gut: gönnen. – Was gibt man einem, der so viel zu geben hat? Ein Preis wäre ein Anfang …“
Frank Schätzing, Schriftsteller
„Hans Ehle ist nicht nur die gute Seele des Vereins, ohne sein ehrenamtliches Engagement in der Organisation würde der Verein nicht so erfolgreich agieren. Jedes Training muss auf den Punkt koordiniert werden. Jede Boxerin und jeder Boxer werden optimal auf die Wettkämpfe vorbereitet. Eine Wahnsinnsarbeit. Und wenn es sein muss, wäscht Hans Ehle sogar die Sportbekleidung, ist sich für nichts zu schade. Delegieren können viele, sich an die Arbeit machen, das macht Hans Ehle so perfekt wie kein Zweiter.“
Prof. Dr. Ingo Froböse, Präsident des Boxvereins Colonia 06
Der Hans ist in puncto Menschlichkeit, Empathie und sozialen Engagements ein ausgesprochen großes Vorbild. Durch seinen Charme, seine herzliche und offene Art füllt er jeden Raum mit Leben und Freude. Aber er kann in den richtigen Momenten auch klare Kante zeigen. Eben ein richtiger Boxer. Hans, ich liebe dich!
Dr. Sobottke, ehemaliger Vorsitzender, Vereinsarzt von Colonia 06 und Professor am Rhein-Maas-Klinikum Würselen
Bildquellen
- Hans Ehle mit Boxhandschuhen: Alex Weis
- Walter Passmann: Alex Weis
- Frank Schätzing: Paul Schmitz
- Prof. Dr. Ingo Froböse: Sebastian Bahr
- Dr. Sobottke: Gustav Kuhwedie
- Hans Ehle: Alex Weis