Startseite Finanzen & MärkteImmobilien Toxische Entwicklung am Wohnungsmarkt

Toxische Entwicklung am Wohnungsmarkt

Der Fehlstand an bezahlbarem Wohnraum ist bekannt – doch die Politik zeigt sich lethargisch

by Redaktion

Die Zahl ist hinlänglich bekannt, und sie treibt jedem Politiker den Schweiß auf die Stirn: In Deutschland fehlen in den kommenden Jahren mehr als 400.000 Wohnungen. Für Köln bedeutet dies: Um in Zukunft im Soll zu liegen, müssten bis 2028 mehr als 7.000 neue Wohnungen entstehen – pro Jahr wohlgemerkt.

Diese Wohnungsbau-Prognose hat das Pestel-Institut ermittelt. „Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen in Köln aktuell rund 10.080 Wohnungen – abzubauen: aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.

Leider lahmt der Wohnungsneubau bundesweit. In Köln geht die Zahl der Baugenehmigungen zurück. Wurden von Januar bis Mai 2023 immerhin noch 1.507 Baugenehmigungen erteilt, waren es im Jahr 2024 im gleichen Zeitraum lediglich 1.100 an der Zahl.

Einer der Gründe: Viele Hauseigentümer halten sich nach Beobachtungen des Pestel-Instituts mit einer Sanierung zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts.

Weitere Gründe, warum leer stehende Wohnungen nicht vermietet werden: „Immer wieder kommt bei Erbstreitigkeiten kein Mietvertrag zustande. Und oft scheuen sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem sie sich am Ende vielleicht nicht verstehen“, sagt Matthias Günther. Für ihn steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch in Köln kein Weg vorbei.“

Katharina Metzger ist Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB). Für sie macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leer stehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei.“ Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Denn die kam mit der Empfehlung um die Ecke, Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen, sollten doch aufs Land ziehen.

Doch welche Lösungen sind preiswert und schnell umsetzbar? Nochmals Katharina Metzger: „Der Wohnungsbau ist auch in Köln das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert sie, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Katharina Metzger warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“

Hier ist der Staat gefragt, um mit der Bereitstellung entsprechender Fördermittel 400.000 Neubauwohnungen – darunter 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen – in den kommenden Jahren fertigzustellen. Laut Pestel-Institut fehlen im geplanten Bundeshaushalt für 2025 dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt mindestens 12 Milliarden Euro pro Jahr. Im Bundeshaushalt 2025 stehen an dem Posten jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.

Die Wohnungsbau-Branche erlebt einen regelrechten Absturz. Die Neubau-Zahlen sinken dramatisch, Mauerstein-Hersteller schließen Werke, eine Entlassungswelle rollt. Der Bau verliert Beschäftigte, darunter viele qualifizierte Facharbeiter. Die Verbandspräsidentin konstatiert, dass die Situation fatal sei. „Wenn Wohnungsnot auf Nichtwohnungsbau trifft, haben wir eine toxische Entwicklung, die dringend gestoppt werden muss.“ Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so Katharina Metzger.

(Monika Eiden)

Bildquellen

Weitere spannende Beiträge