Das vom Land NRW geförderte Cluster ProduktionNRW will den Maschinenbau und die Produktionstechnik in NRW vorantreiben. Es ist zu dem Zweck eine Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke zusammenzubringen, zu vermarkten und zu informieren. Ausführendes Organ ist der nordrhein-westfälische Landesverband des Maschinenbauverbandes VDMA mit Sitz in Düsseldorf. Der VDMA ist der größte Industrieverband in Europa, welcher rund 3600 Unternehmen vertritt. w hat dieses Interview geführt mit Hans-Jürgen Alt, Cluster-Manager ProduktionNRW und Geschäftsführer des VDMA NRW.
DIE WIRTSCHAFT: Wie hat sich der Maschinen- und Anlagenbau in NRW in den letzten Jahren generell entwickelt?
Hans-Jürgen Alt: „Der Maschinen- und Anlagenbau ist mit rund 200.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von ca. 54 Mrd. Euro die größte Industriebranche in Nordrhein-Westfalen. Jede fünfte Maschine in Deutschland wird in NRW gefertigt. Es gibt erfolgreiche Weltmarktführer. So stammen von den 175 Weltmarktführern, die dem Maschinenbau zugerechnet werden können, 40 Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, womit man hinter Baden-Württemberg – 78 Unternehmen – und vor Bayern mit 28 Unternehmen liegt. Durch seine innovative Leistungsfähigkeit ist der Maschinenbau in NRW Enabler und Lösungsanbieter für andere Industrien. Trotzdem hat man sich in den letzten Jahren schlechter als die Unternehmen der Branche auf Bundesebene entwickelt. Zwischen 2015 und 2023 wuchs der Maschinen- und Anlagenbau in NRW langsamer als im Bundesdurchschnitt. Die Beschäftigung ging leicht zurück und die Auslandsumsätze entwickelten sich unterdurchschnittlich. Die Branche steht deshalb unter erheblichem Wettbewerbsdruck und ist operativ und strategisch gefordert, um die Rolle als Wachstumsmotor zu behaupten. Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Standortstärkung müssen EU, Bund und das Land NRW verlässliche Rahmenbedingungen setzen.“
DIE WIRTSCHAFT: Was beeinflusst die Standortfaktoren in der Region besonders?
Hans-Jürgen Alt: „Im internationalen Vergleich ist NRW ein starker Standort, weist aber auch sehr hohe Kosten auf. Zu den limitierenden Faktoren zählen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Inlandsnachfrage, die Arbeitskosten sowie Energie- und Rohstoffpreise. Kostenfaktoren wie Arbeitskosten, Bürokratie und Unternehmenssteuern haben erhebliche Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft. Speziell die bürokratischen Belastungen werden von Unternehmen als wachsende Herausforderung wahrgenommen, die die Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen der Maschinen- und Anlagenbauer beeinträchtigen. Weiter führen die hinlänglich bekannten Mängel der Verkehrsinfrastruktur zu beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden. Während die Breitbandversorgung immer seltener ein Hindernis der Digitalisierung ist, besteht speziell bei der Glasfaserversorgung weiterhin Ausbaubedarf.“
DIE WIRTSCHAFT: Von welchen Veränderungen sind der Maschinenbau und die Produktionstechnik in NRW jetzt und in Zukunft betroffen?
Hans-Jürgen Alt: „Eine neue Studie der Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IW Consult) im Auftrag des vom VDMA durchgeführten Clusters ProduktionNRW mit dem Titel ,Update Wachstumsmotor Maschinenbau NRW‘ identifiziert vier Zukunftstrends, die der Maschinen- und Anlagenbau bewältigen muss:
- Veränderungen der Arbeitswelt: Der demografische Wandel führt zu einem Rückgang der Erwerbstätigen und einem Ungleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage. Dies erschwert es, die passenden Mitarbeiter zu finden.
- Herausforderungen und Chancen durch Digitalisierung: Die Digitalisierung bietet Chancen in Sachen Effizienzsteigerung, Kostensenkung und neue Geschäftsmodelle. Gleichzeitig gibt es Herausforderungen wie Sicherheits- und Datenschutzrisiken.
- Transformation zu Dekarbonisierung, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit: Die Dekarbonisierung bietet neues Marktpotenzial, da der Maschinenbau ein wichtiger Enabler dieser Transformation ist. In NRW hat sich die Umweltwirtschaft dynamisch entwickelt. Es besteht hier aber noch weiteres Potenzial. Regulatorische Änderungen stellen aber gleichzeitig neue Herausforderungen dar.
- Globaler Wettbewerbsdruck: Der nordrhein-westfälische Maschinen- und Anlagenbau ist global aktiv. Doch das Auslandsgeschäft steht unter Druck. Ursachen sind handelspolitische Konflikte sowie ein deutlich gestiegener Wettbewerb – insbesondere durch Wettbewerber aus China.
Um sich den oben erläuterten Zukunftstrends erfolgreich zu stellen, gibt die IW-Studie den Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau konkrete Empfehlungen:
- Fachkräftesicherung aktiv gestalten: Unternehmen sollten ihre Personalstrategien anpassen, in Aus- und Weiterbildung investieren und gezielt mit Bildungseinrichtungen kooperieren.
- Digitalisierung strategisch nutzen: die Herausforderung der Digitalisierung aktiv und nicht abwartend annehmen. Gezielt Business Cases für Digitalisierung entwickeln. Manufacturing-X bietet Chancen für datenbasierte Geschäftsmodelle.
- Potenziale von Green-Tech ausschöpfen: Nachhaltige Produkte und Prozesse bieten neue Marktpotenziale. Die Branche sollte die vorhandenen Förderprogramme für ökologische Innovationen stärker nutzen und sich in Netzwerke zur Kreislaufwirtschaft einbringen.
- Exportstrategien überdenken: Neue Märkte identifizieren und Wettbewerbsstrategien anpassen.“
DIE WIRTSCHAFT: Was empfehlen Sie, wie man lokal und EU weit agieren sollte, um Wachstum zu stärken?
Hans-Jürgen Alt: „Die Unternehmen benötigen günstige, verlässliche und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, um die sich ergebenden Chancen optimal nutzen zu können. So bietet beispielsweise das Innovationsökosystem in NRW gute Voraussetzungen, bedarf aber der Optimierung. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Branche sind EU, Bund und das Land NRW daher gefordert, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass Hemmnisse abgebaut werden und Unternehmen ihr Potenzial besser entfalten und ausschöpfen können. Auf EU-Ebene: Handelsabkommen weiter vorantreiben, um Zugang zu Auslandsmärkten zu stärken, EU-Binnenmarkt stärken, Bürokratieabbau umsetzen. Auf Bundesebene: Kostenbelastungen für Unternehmen begrenzen bzw. senken – Steuern, Sozialabgaben, Bürokratiekosten, Verkehrsinfrastruktur verbessern, Planungsverfahren beschleunigen, NRW-Förderinstrumente weiterentwickeln. Auf Landesebene: Gewerbesteuer reformieren – Kommunalfinanzierung so gestalten, dass hohe Hebesätze nicht länger notwendig sind. Förderlandschaft strukturieren – Programme bündeln, Transparenz erhöhen, Innovationsökosystem stärken, Forschungseinrichtungen und Unternehmen besser vernetzen.“
(Karoline Sielski)
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- Maschine: Foto von Homa Appliances auf Unsplash