Mit einem Series-A-Funding von umgerechnet 42 Millionen Euro ist Formo derzeit das am höchsten je finanzierte Food-Tech-Start-up Europas. Das in Berlin und Rheinbach sitzende Start-up hat eine Technologie entwickelt, mithilfe derer künftig veganer Käse trotz gleicher Eigenschaften wie die tierischer Variante ganz ohne Kuh auskommt.
Die Anzahl vegan lebender Menschen in Deutschland wächst. Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse ordneten sich 2020 etwa 1,13 Millionen Bundesbürger selbst als Veganer ein oder als jemand, der weitgehend auf tierische Lebensmittel verzichtet. Das sind 180.000 mehr als im Vorjahr. Und auch Lebensmitteltrend-Prognosen führender Marktforschungs-Unternehmen bestätigen: Pflanzenbasierte Ernährung liegt im Trend.
Laut Innova Market Insights spielen Ersatzprodukte für Fleisch, Fisch sowie Milchprodukte dieses Jahr eine essenzielle Rolle. Und das nicht nur bei Veganern. Auch Flexitarier suchen – meist aus ökologischen oder gesundheitlichen Gründen – immer häufiger nach pflanzlichen Alternativen. Doch auch wenn die Auswahl pflanzlicher Käsealternativen in den vergangenen Jahren zugenommen hat, weisen viele der aktuell erhältlichen Produkte mindestens zwei Schwachstellen auf. Da wäre einerseits die meist lange Zutatenliste, in der sich ein Stabilisator nach dem nächsten Emulgator drängt, und andererseits die Textur. Denn Fett allein erzeugt keinen Schmelz, der für viele Liebhaber essenziell ist.
Veganer Käse ohne tierische Hilfsmittel
Dieser Problematik war sich auch Raffael Wohlgensinger bewusst, als er sich vor wenigen Jahren fragte, wie man den perfekten veganen Käse ganz ohne tierische Hilfsmittel produzieren könne. Für sein Projekt suchte er nach wissenschaftlicher Unterstützung, die er in Dr. Britta Winterberg fand, einer Molekularbiologin, die zusammen mit Wohlgensinger 2019 Formo gründete. Aus einer Datenbank zogen sich die beiden Gründer die Gen-Sequenz der Kuh und kodierten die Abschnitte für die Milchproteine. Diesen genetischen Bauplan fügt Formo in das Erbgut von Bakterien, Pilzen sowie Hefezellen ein. Die dadurch erzeugten Organismen werden in einem Nährmedium gehalten. Sie werden mit pflanzlichen Kohlenhydraten gefüttert und konstant erwärmt, damit sie sich vermehren und Milchproteine bilden können.
Das so produzierte Produkt hat demnach eine sehr ähnliche Zusammensetzung wie sein tierisches Pendant, nur sind dessen Fette und Kohlenhydrate pflanzenbasiert. Das Resultat ist ein Produkt, dessen Reifegrad und Schmelzpunkt der Kuhmilch-Variante in nichts nachsteht. Mit dieser Methode könnte Formo den gesamten Markt abdecken: von Frisch-, Schmelz-, Hart- bis hin zum Schimmelkäse. Auch die Herstellung von Joghurt oder Eiscreme wären möglich. All diese Produkte kommen laktosefrei daher, da ihnen pflanzenbasierter Zucker zugefügt wird. Aufgrund derselben Proteine wie die tierischen Varianten ist allerdings auch hier Milcheiweiß enthalten. Einen Proof of Concept gibt es bereits.
Antrag auf Zulassung noch 2022
Während das Food-Design und Business-Development in Berlin sitzt, arbeitet das Biologenteam in Rheinbach bei Bonn. Hier wird mithilfe des Fundings auch die Pilotfabrik gebaut, in der erstmals größere Mengen an Milchproteinen hergestellt werden. Die geplante Massenfertigung übernehmen später Auftragsfertigern, die die „Milchprodukte“ für die Marke Formo produzieren. Sorten wie Weichkäse und Mozzarella konnte das Team bereits im Labor produzieren, als Nächstes wagt sich Formo an gereifte Sorten wie Gruyère oder Emmentaler.
Bis die ersten Waren hierzulande auf den Markt kommen, wird es voraussichtlich noch circa zwei bis drei Jahre dauern. Milchprodukte aus Fermentern als sogenanntes Novel Food müssen eine umfangreiche Zulassung bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit durchlaufen, die circa 18 Monate lang dauert. Der Antrag dafür wird noch dieses Jahr eingereicht. 2023 sollen erste alternative Sorten jedoch in Singapur auf den Markt kommen, da die Zulassung neuer Produkte dort erheblich schneller geht.
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Bildquellen
- Beim Concept of Proof wurden bereits Weichkäse im Labor produziert. Credit: Formo: Credit: Formo
- Das deutsche Start-up Formo produziert bald in Rheinbach bei Bonn. Credit: Formo: Credit: Formo