Vom Staatssekretär zum Energievisionär

Wie der Vorstandsvorsitzende Andreas Feicht der RheinEnergie AG die Energiewende in Köln vorantreibt

by Diana Pohl
Andreas Feicht

Die RheinEnergie AG blickt auf ein Rekordjahr 2024 zurück: Mit einem Gewinn nach Steuern von fast 348 Millionen Euro konnte auch die Stadt Köln als größte Anteilseignerin deutlich profitieren. Im Interview mit DIE WIRTSCHAFT gibt Vorstandsvorsitzender Andreas Feicht Einblicke in die Gratwanderung zwischen erneuerbaren und bezahlbaren Energien, in den Ausbau der Fernwärme und die Rolle smarter Technologien im Klimaschutz.

Andreas Feicht ist seit dem 1. August 2022 Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie AG. Zuvor war er von Februar 2019 bis Dezember 2021 Staatssekretär für Energie und Digitales im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. In dieser Funktion trug er maßgeblich zur Gestaltung der deutschen Energiepolitik bei. Neben seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie engagiert sich Andreas Feicht als Vorsitzender der Geschäftsführung des Stadtwerke-Köln-Konzerns, unter dessen Dach weitere städtische Unternehmen gebündelt sind.

DIE WIRTSCHAFT: Herr Feicht, Sie waren drei Jahre lang Energie-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, jetzt sind Sie Chef eines der größten Stadtwerke Deutschlands. Hilft Ihnen die übergeordnete Perspektive hier vor Ort?

Andreas Feicht: Ich war auch vorher schon über zwölf Jahre Chef der Wuppertaler Stadtwerke, und über meine ebenfalls frühere Tätigkeit als Vizepräsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen bekommt man auch einen guten Überblick. Es war eine wichtige und interessante Erfahrung, gerade den Energiesektor aus dem Ministerium heraus etwas mitgestalten zu können.

Dieser ist aktuell überaus komplex. Wir stecken in vielen Transformationen gleichzeitig: Wir müssen unsere Versorgung sicher und resilient halten, indem wir die Infrastruktur aus- und umbauen; wir wollen unsere Energieerzeugung für Strom und Wärme in einer vergleichsweise kurzen Frist dekarbonisieren – und dann sollen die Menschen am Ende ihre Energie auch noch bezahlen können. Das ist wirklich herausfordernd. Das geht nur in einem ausgewogenen Zusammenspiel zwischen Unternehmen und dem Staat. Letzterer muss den Rahmen möglichst so setzen, dass er wichtige Investitionen auslöst und so fördert, dass sie langfristig viel Nutzen stiften.

Dafür haben wir hier in Köln zwei Beispiele: Die weitere Erschließung von Fernwärmegebieten im Rechtsrheinischen wurde ebenso vom Bund und von der EU gefördert wie unser Projekt von Europas größter Flusswasser-Wärmepumpe am Standort Köln-Niehl. In beiden Fällen stemmen wir den größten Teil der Investitionen aus eigener Kraft. Dauerhafte Subventionen hingegen sehe ich kritisch; wir müssen vielmehr mittel- und langfristig unser Energiesystem so umgestalten, dass die Preise möglichst sinken. Denn auf Dauer können wir uns die hohen Energiepreise nicht leisten. Das ist nicht gut für den Wirtschaftsstandort und auch nicht gut für die Privathaushalte.

Netzkosten im Wandel

Mittlerweile müssen die Politiker in Bezug auf Energiepreise mit einem neuen Begriff umgehen: Systemkosten. Er besagt: Früher haben vor allem Brennstoffpreise am Weltmarkt, für Kohle, Gas und Öl zum Beispiel, den Energiepreis bestimmt. Heute sind es steigende Netzkosten, denn je mehr erneuerbare Energie wir produzieren und einspeisen, desto höher steigt die Belastung unserer Netze, was sie überproportional teuer macht. Deswegen müssen wir weg von einem einseitigen Zubau an Kapazitäten der Erzeugung hin zu einer Gesamtbetrachtung des Systems, sonst laufen uns die Ausbaukosten zu sehr aus dem Ruder, und die zahlen wir über die Netzentgelte am Ende alle. Es gibt Berechnungen, dass wir allein im Ausbau der großen Übertragungsnetze für Strom Milliardenbeträge einsparen könnten, wenn wir auf den überaus teuren Ausbau von Erdkabeln verzichten und stattdessen günstigere Freileitungen errichten.

DIE WIRTSCHAFT: Köln ist die viertgrößte Stadt der Republik, im direkten Ballungsraum leben 2,5 Millionen Menschen. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in Bezug auf die Energiewende?

Andreas Feicht: Köln und die Region sind äußerst heterogen. Wir haben einerseits die Ballungszonen mit verdichtetem Geschosswohnungsbau, von denen der Großteil in den Sechziger- und Siebzigerjahren gebaut worden ist. Dort gibt es einen hohen Wärmebedarf. Und man benötigt dort relativ hohe Vorlauftemperaturen. Das wäre ideal für die Fernwärme, andererseits stellt uns das bei Vorstreckungen und Verdichtungen vor Aufgaben. Die Kölner Straßen im Zentrum und ersten Vorortgürtel sind eher eng, dazu ist auch der Untergrund oft schon zu voll für neue Leitungen.

Ausbau des Stromnetzes in Vorstadt- und Vorortbereichen

Wir haben, auch in Abstimmung mit der Stadt und mit ihrer in Arbeit befindlichen kommunalen Wärmeplanung, verschiedene Aufgaben: Wir werden etwa in den Vorstadt- und Vorortbereichen vor allem das Stromnetz massiv ausbauen, damit Menschen ihre Wärmepumpen und die Wallboxen fürs E-Fahrzeug anschließen können.

Dort ist eine sichere und leistungsfähige Stromversorgung erfolgskritisch auch für die Wärmeversorgung der Häuser. Wir rechnen in der Stadt insgesamt damit, dass wir bis 2035 die Leitungskapazitäten so steigern müssen, dass wir den zweieinhalbfachen Strombedarf gegenüber heute decken können.

In Quartieren mit gemischter Gewerbe- und Wohnnutzung wird es sicherlich Fernwärme sein, die vor allem dort am sinnvollsten ist, wo wir auf das beste Verhältnis von Leitungsanschluss und Wärmebedarf treffen. Das können größere Objekte sein. In Bocklemünd beispielsweise haben wir das Areal des Bio-Campus Cologne angeschlossen, dort wird auf kleinem Raum sehr viel Fernwärme gebraucht.

Wir werden auch in Zukunft nicht alles mit Strom oder Fernwärme machen können, sondern werden auch noch weiterhin auf Moleküle setzen, also eine Gasversorgung. Denn nicht überall lassen sich Wärmepumpen installieren, nicht überall können wir mit der Fernwärme hin, und dann brauchen wir andere Lösungen. Wichtig ist, dass auch dieses System auf Sicht dekarbonisiert ist, also auf Dauer klimaneutral wird.

DIE WIRTSCHAFT: Wenn man alle diese Herausforderungen sieht, fragt man sich: Wer soll das bezahlen? Kann die RheinEnergie es wirtschaftlich stemmen? 

Andreas Feicht: Wir gehen davon aus, dass wir bis 2035 allein rund vier Milliarden Euro investieren werden, um die Erzeugung umzugestalten, die Infrastrukturen und Leitungssysteme auszubauen und das System insgesamt sicherer und resilienter zu machen.
Wir freuen uns sehr darüber, dass wir jetzt zwei wirtschaftlich sehr erfolgreiche Jahre hatten und dass wir für 2024 ein Rekordergebnis von fast 348 Millionen Euro verkünden konnten. Das verdanken wir der sehr breiten Aufstellung der RheinEnergie, die diesen Ertrag vor allem aus der langfristigen Vermarktung ihrer Kraftwerkskapazitäten und einem erfolgreichen Energiehandel erwirtschaftet hat. Das ist auch gut für die Stadt, unsere größte Anteilseignerin.

Außerdem hatten wir 2023 und 2024 eine besondere Lage am Energiemarkt, die uns diese ungewöhnlich hohen Gewinne ermöglicht hat. Das wird aber so nicht bleiben. Wir rechnen bereits im laufenden Jahr mit einer Normalisierung.
Herausfordernd ist die Lage deswegen, weil wir uns im Dreieck bewegen: zwischen den Erwartungen unserer Anteilseigner; den eben beschriebenen Herausforderungen der Energiewende und schließlich dem Gedanken einer wirtschaftlichen Resilienz.

Deswegen arbeiten wir weiter an unserer Rentabilität, wir konnten in diesem Jahr 100 Millionen Euro in die Rücklagen nehmen und so unsere Eigenkapitalquote stärken, und wir werden insgesamt effizienter werden müssen, um unsere Ergebnisse zu halten.
Wir kämpfen wirtschaftlich noch mit anderen Entwicklungen: einer Baukosteninflation, die in relativ kurzer Zeit fast 40 Prozent ausgemacht hat. Bei dem, was wir vor der Brust haben, müssen wir das scharf einkalkulieren.

Die RheinEnergie ist eines der profitabelsten Unternehmen im Energiemarkt, wir haben eine gute Eigenkapitalausstattung, und deswegen können wir in Zukunft sicherlich auch verstärkt Fremdfinanzierungen, also Kredite, in Anspruch nehmen. Wir müssen dann aber auch erfolgreicher werden, denn bei den heutigen Zinssätzen können uns die Investitionen durchaus am Ende eine Zinslast von 50 Millionen Euro bringen. Das müssen wir erst einmal zurückverdienen.

RheinEnergie AG

Fernwärme soll weiter ausgebaut werden

DIE WIRTSCHAFT: Fernwärme ist in Städten wie Köln immer ein großes Thema, viele sehen in ihr das Allheilmittel. Sie errichten in Köln-Niehl Europas größte Flusswasser-Wärmepumpe. Diese stellt eine Ihrer größten Einzelinvestitionen dar. Wird die Fernwärme damit teurer?

Andreas Feicht: Nein. Wir werden mit dieser Anlage in Zukunft zwei Ziele erreichen: Zum einen werden wir 30 Prozent der Fernwärme damit dekarbonisieren können. Das ist eine Vorgabe für den Klimaschutz.
Zum anderen können wir sie im Verbund mit unseren gasbasierten Erzeugungsanlagen, ebenfalls am Standort Niehl, zur Kostenoptimierung einsetzen: In Zeiten, in denen der Strompreis niedrig oder sogar negativ ist, läuft die Wärmepumpe. In Zeiten, in denen wir günstig Gas beziehen können, nehmen wir unsere Gas-und-Dampfturbinen in Betrieb. Aus dieser Wechselwirkung entsteht ein wirtschaftlicher Vorteil, der den Fernwärmepreis stabil hält.

Was den weiteren Ausbau der Fernwärme in Köln angeht, so stehen wir vor einigen kniffligen Aufgaben. Denn in Köln ist die Fernwärme auf drei Netze recht eng begrenzt mit einem Gesamtanteil von aktuell 18 Prozent. Den größten Teil des Bedarfs in Köln decken wir noch mit Gas. Für den Ausbau dieses 18-Prozent-Anteils haben wir fast 65 Jahre benötigt; wir wollen unseren Anteil in den kommenden 15 bis 20 Jahren auf rund 30 Prozent ausbauen. Das bedeutet: Wir haben weniger als 20 Jahre Zeit, um noch mal einen Sprung von zwölf Prozent zu schaffen – zwei Drittel des Bisherigen. Das ist in der hochverdichteten Stadt alles andere als trivial.

DIE WIRTSCHAFT: Die RheinEnergie wird – nicht zuletzt dank Ihnen – erkennbar immer smarter. Wo geht smarte Technik mit Klimaschutz und Energiesicherheit Hand in Hand – und warum?

Andreas Feicht: Dazu vielleicht zwei Beispiele:

  • Wir kooperieren intensiv mit dem Köln/Bonner Flughafen, und wir haben dessen Energiesystem in einem sogenannten digitalen Zwilling bei uns abgebildet. Vor Ort errichten wir gerade ein Holzheizwerk, es gibt Nahwärmeanlagen, dazu mehrere Stromanschlüsse auf verschiedenen Ebenen. Im digitalen Zwilling bilden wir dies ebenso ab wie die Lastflüsse im gesamten Flughafen, und dann erstellen wir auf Basis von Kurzfrist- und Echtzeitdaten wie Wetterprognosen und anderen Faktoren eine Art Fahrplan. Dieser besagt, wie der Flughafen möglichst günstig und energieeffizient betrieben werden kann. Diese Daten stellen wir dem Flughafen zur Verfügung. Der Effekt: 20 bis 30 Prozent Einsparung gegenüber einer herkömmlichen Fahrweise.
  • Ein weiteres Beispiel, im größeren Maßstab: Wir kooperieren seit einiger Zeit mit Mobility House, einem größeren Start-up, das ein System entwickelt hat, die Masse von Stromspeichern aus Elektrofahrzeugen zur Absicherung unserer Stromnetze verfügbar zu machen. Dabei nutzen wir auch KI. E-Auto-Besitzer können zu bestimmten Zeiten einen bestimmten Teil der Akku-Kapazität ihres Fahrzeugs via App dem System verfügbar machen, dieser Strom steht etwa dann zur Verfügung, wenn die Nachfrage im Netz besonders hoch ist. Steigt umgekehrt das Angebot an Strom bis hin zum Überschuss, so wird der Stromspeicher günstig wieder befüllt. Dieses System hat das Potenzial, einem Elektromobilisten einen fast kostenlosen Strombezug für sein Fahrzeug zu ermöglichen. Somit hat es für die Endanwender einen hohen Reiz. Gleichzeitig ist es netzdienlich, weil man die Spitzen aus dem Netz wegpuffern kann in die Autos.

In den europäischen Nachbarländern ist das System bereits in Betrieb; in Deutschland warten wir auf die letzten rechtlichen Weichenstellungen, um dieses sogenannte bi-direktionale Laden zu ermöglichen.

DIE WIRTSCHAFT: Wie stellen Sie sicher, dass Sie alle diese Aufgaben auch in Zukunft erfüllen können?

Andreas Feicht: Wir arbeiten an unserer Effizienz, wir sind ein Unternehmen, das auf allen Feldern der Energiewirtschaft beheimatet ist, und wir haben einen Leitsatz: Morgen wird heute gemacht. Wir sind jetzt schon auf allen Gebieten dabei, die Lösungen für morgen zu suchen. Dabei hilft uns, dass wir ein sehr beliebter Arbeitgeber sind. Wir haben in diesem Jahr beim wichtigen „Best-Recruiters“-Wettbewerb nicht nur den ersten Platz in der Branche, sondern auch den ersten Platz in der Gesamtwertung belegt.

Wenn Menschen sehen, welche herausfordernden Aufgaben wir bieten; sei es als Technikerin für Windkraft-Anlagen oder als KI-Spezialist, dann können wir sie für uns gewinnen.
Wir haben einen klaren Plan, wie wir an unsere Aufgaben herangehen wollen, eine Strategie von drei Säulen:

  • Erstens das Entwickeln zukunftsfähiger Angebote und Lösungen für alle unsere Aufgabenfelder.
  • Zweitens das Sichern und Ausbauen unserer Infrastrukturen wie Netze und Anlagen, die wir konsequent erneuern.
  • Und drittens das Ziel einer langfristigen wirtschaftlichen Resilienz, aus der heraus wir auch unsere Aufgaben finanzieren können.

Ich bin mir sicher: Sowohl hier vor Ort im Rheinischen Raum als auch bundesweit werden wir bei der Energiewende unsere Rolle spielen. Und das ist am Ende gut für die Stadt, denn damit stützen wir auch sie.

(Eugen Weis)

 

Bildquellen

  • RheinEnergie AG: Stefan Schilling/ RheinEnergie AG
  • Andreas Feicht: Frank Reinhold / RheinEnergie

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