Erfolg trotz Krise – Musterwechsel als Erfolgsboost

by Redaktion

Krisenzeiten fordern Unternehmen heraus, bieten aber auch Chancen zur Neuausrichtung. Wer alte Denk- und Handlungsmuster überwindet, kann nicht nur Krisen meistern, sondern gestärkt und zukunftsfähig daraus hervorgehen. Im Interview mit DIE WIRTSCHAFT erklärt die systemische Organisationsberaterin Dr. Martina Augl, wie das am besten gelingt.

DIE WIRTSCHAFT: Frau Dr. Augl, gefühlt jagt aktuell eine Krise die nächste. Wie soll man da noch an Erfolg denken, wenn überall Endzeitstimmung herrscht?

Dr. Martina Augl: Sie haben recht, manche Ereignisse können überwältigend wirken, gerade, wenn viele Themen gleichzeitig aufkommen. Doch ob etwas als Krise empfunden wird, ist sehr individuell. Auch für Organisationen. Primär ist es davon abhängig, ob Fähigkeiten im System vorhanden sind, mit der neuen Situation umzugehen, oder ob man sich dieser ratlos oder gar ohnmächtig gegenübersieht. Krise heißt Wendepunkt und erzeugt die dringende Notwendigkeit von Handlungsentscheidungen. Oft bringen Krisen aber auch jene Probleme ans Licht, die schon länger bestehen, wie ineffiziente Abläufe oder fehlende Innovationen. Genau hier liegt die Chance für eine Neuausrichtung: für jene, die bereit sind, genauer hinzusehen.
DIE WIRTSCHAFT: Und da kommt jetzt der Musterwechsel ins Spiel. Was versteht man denn darunter?

Dr. Martina Augl: Musterwechsel bedeutet die Veränderung von veralteten, mitunter sogar hinderlichen Denk- und Verhaltensweisen. Diese haben ihre Berechtigung, werden jedoch unbewusst als Lösungsschablone für alle Arten von Entscheidungen herangezogen. Werden sie nicht regelmäßig hinterfragt, kommt es irgendwann zum Mismatch. Doch wie entsteht ein Muster? Der Mensch liebt Routinen. Sie geben Sicherheit und vereinfachen unseren Alltag. Wir brauchen nicht lange zu überlegen, welchen Weg wir zur Arbeit nehmen, welchen Kaffee wir bei unserem Lieblingsbarrista bestellen oder wie wir einen Kundenauftrag bearbeiten. Handlungsabfolgen, die sich bewähren, werden so lange wiederholt und feinjustiert, bis sich daraus Prozesse und Strukturen festschreiben. Krisen werden deshalb als solche wahrgenommen, weil die gewohnten Handlungsmuster nicht zu den erwarteten Ergebnissen führen. Muster jedoch wirksam zu verändern bedeutet nicht einfach etwas anderes zu tun, sondern die alten Muster zu verstehen, ebenso wie die neuen Erfordernisse. Dabei hilft eine Haltung von Neugier und positiver Unterstellung statt Fingerpointing.

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Albert Einstein

DIE WIRTSCHAFT: Was sind typische Muster, die Unternehmen durchbrechen sollten, um erfolgreich zu bleiben?

Dr. Martina Augl: Ein häufiges Muster ist, dass sehr viel Zeit in die Sammlung von Informationen gesteckt wird, man sich aber schwer damit tut, Entscheidungen zu treffen – aus Angst vor Fehlern. Doch fehlende Entscheidungen lähmen das System und erhöhen die vorhandene Unsicherheit zusätzlich. Hier hilft es, in einem gut aufgestellten Team Szenarien zu entwickeln und dann möglichst rasch nach klaren Kriterien zu entscheiden. Ein zweites Muster ist schlechte Kommunikation. Entscheidungen per E-Mail in den Rundverteiler zu schicken, mag zwar praktisch sein, verfehlt aber komplett die Wirkung. Auch wird sehr oft vergessen, das Big Picture mit zu kommunizieren oder umgekehrt die Entscheidung auf den konkreten Arbeitsalltag herunterzubrechen. Mitarbeitende müssen wissen, welches Verhalten von ihnen erwartet wird und warum.

DIE WIRTSCHAFT: Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Dr. Martina Augl: Ich habe eine Organisation begleitet, die innerhalb von zwei Jahren ihren Umsatz verdoppeln und um 50 Prozent anwachsen wollte – und das während Corona. Die Führungsstruktur wurde neu aufgesetzt, das Portfolio an die Bedarfe des Marktes angepasst, Maßnahmen geplant und alles den Mitarbeitenden vorgestellt. Die erwartete Euphorie blieb aus. Alle taten sich schwer, sich vorzustellen, wie das in der aktuellen Krise gehen sollte. Nach wenigen Gesprächen wurde klar, dass der Unternehmensgründer Glaubenssätze in der Organisation verankert hatte, die das Ziel torpedierten. Nämlich „Wachstum geschieht in Wellen“ und „Investitionen muss man sich verdienen“. Diese hatten bislang sämtliche Entscheidungen beeinflusst und standen nun im Widerspruch zu dem, was neue Wirklichkeit werden sollte. Es war wichtig, neue Muster zu etablieren, die zum Ziel passten. Ein neuer Grundsatz war: „Es darf leicht gehen.“ Im Konkreten hieß das: Wo gibt es Märkte mit direktem Zugang, welche Kundenanfragen führen zu Direktbeauftragungen, wo haben wir Expertise, die gerade dringend gebraucht wird? Damit sich neue Muster etablieren, müssen Mitarbeitende Erfolge direkt mit Handlungen verknüpfen. Das gelingt nur, wenn aktiv darüber gesprochen wird.

Mit der 70-100-Regel zum Erfolg

DIE WIRTSCHAFT: Führung hat also eine wesentliche Rolle. Wie kann sie den Musterwechsel erfolgreich fördern?

Dr. Martina Augl: Zuerst möchte ich mit einem Irrtum aufräumen. Führung wird oft als einsame Aufgabe angesehen: „An der Spitze ist es einsam.“ Es ist genau andersherum: Erfolgreiche Führung braucht einen guten Schulterschluss, ein starkes Führungsteam mit unterschiedlichen, für die Organisation relevanten Perspektiven. Wie kommt man da aber zu raschen Entscheidungen? Ein ganz einfaches Tool ist die sogenannte 70-100-Regel. Dabei stellt man im Führungsteam die Frage, ob jeder zum vorliegenden Vorschlag zu mindestens 70 Prozent „ja“ sagen kann. Ist das der Fall, muss die Entscheidung zu 100 Prozent nach außen und auch in die eigenen Teams getragen und vertreten werden. Ist dies nicht der Fall, wird eruiert, was auf 70 Prozent noch fehlt und wie eine passende Lösung aussehen muss. Führung muss zudem klare Erwartungen formulieren: an die Mitarbeitenden, aber auch untereinander. Verhalten muss reflektiert und neu eingeübt werden. Es braucht Feedback in beide Richtungen.

DIE WIRTSCHAFT: Inwiefern ist es wichtig, in Krisenzeiten neue Geschäftsmodelle zu entwickeln?

Dr. Martina Augl: Krisen entstehen aufgrund der Veränderung wesentlicher Rahmenbedingungen, wie neuer Technologien oder Marktanforderungen. Hier ist es wichtig, sich folgende Fragen zu stellen: Sind wir gut aufgestellt, um auf neue Trends zu reagieren? Nutzen wir unsere Stärken optimal? Ist unsere Positionierung noch klar? Mit diesen wenigen Fragen zeigt sich ganz schnell, welcher Shift zu gehen ist.

DIE WIRTSCHAFT: Welche psychologischen Herausforderungen müssen überwunden werden, um den Musterwechsel in schwierigen Zeiten zum Erfolg zu führen?

Dr. Martina Augl: Das Wichtigste ist sicherlich die Bereitschaft, die Transformation mitzugehen. In der Übergangszeit ist nicht immer direkt klar, was funktioniert und wie man damit umgehen soll. Die Chance liegt darin, in dieser Phase ganz viel über das eigene Unternehmen zu lernen und sich besser auf Unsicherheit zu rüsten. Es ist wie die Zeit zwischen Raupe und Schmetterling, wenn Altes nicht mehr Bestand hat und das Neue sich erst herauskristallisiert. Das erfordert Mut. Aber es verändert gleichzeitig die Liga, in der gespielt wird. Veränderung geschieht ausschließlich aufgrund von Schmerz oder Freude. Ich möchte zum Schmerz der Krise gerne die Freude auf das Neue dazustellen.

DIE WIRTSCHAFT: Wie lange dauert so ein Musterwechsel? Für welche Unternehmen ist das besonders gewinnbringend?

Dr. Martina Augl: In der Krise muss es schnell gehen. Erste Ergebnisse zeigen sich oft schon nach wenigen Wochen. Bei vielen ergeben sich regelrechte „Aha-Momente“, wenn sie verstehen, woran es hakt und wo angesetzt werden muss. Auf Seite der Führung erfordert dies die Bereitschaft, an Führung selbst zu arbeiten, und Stringenz in der Umsetzung. Meiner Erfahrung nach ist der Erfolg gerade bei inhabergeführten Unternehmen groß, da sie flexibel und zielgerichtet handeln können. Punktuell eingesetzte, externe Expertise ist kostenschonend und bringt einen guten Impuls. In Großunternehmen sind oft eigene Ressourcen für die Begleitung von Change vorhanden. Auch hier hilft Außenperspektive, um gezielt blinde Flecke zu erkennen und den Wandel zu beschleunigen.

(Eugen Weis)

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