Unternehmen sind nicht nur Produktionsstätten, sie sind Ökosysteme. Sie existieren, weil treue Kunden, engagierte Mitarbeiter und gesellschaftliche Akteure Hand in Hand arbeiten. Ohne tragfähige Beziehungen sind Unternehmen nicht erfolgreich. Insbesondere ohne Kunden kann kein Unternehmen überleben. Hier muss eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ansetzen.
Nach einer Betriebsübergabe gehen Unternehmen durchschnittlich 45 Prozent der Stammkunden innerhalb von 18 Monaten verloren. 75 Prozent dieser Stammkunden gehen ohne besondere Warnsignale. Nicht Beschwerden oder veränderte Bedarfe sind die Ursache, sondern der Verlust des Vertrauten, der langjährigen Beziehungsebene zwischen Kunden und Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von 200 Unternehmensübergaben.
Falsche Akzente
Hunderttausende Unternehmen suchen derzeit einen Nachfolger. Auch Unternehmer gehen in den Ruhestand. Viele davon haben bereits begonnen, den Übergang zu planen. Allerdings setzen viele Unternehmer bei der Suche nach einer geeigneten Nachfolgeregelung falsche Akzente. Produkte, Prozesse, Finanzierungs- und Ertragsfragen sowie das zukünftige Geschäftsmodell sind bei Weitem nicht alles. Dies alles ist relevant, mindestens genauso wichtig aber sind die Mitarbeiter und Beziehungen. Das belegen die oben genannten Zahlen.
Jeder Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, nimmt wertvolles Wissen und eben ein Stück jener Beziehungen mit. Unternehmen, die einen Nachfolger suchen, haben in der Regel auch ältere Belegschaften. Nicht wenige Kollegen verabschieden sich mit der alten Führung in den Ruhestand. Andere suchen sich vielleicht einen neuen Arbeitgeber, weil ihnen lieb gewonnene Gewohnheiten unter dem neuen Management abhandenzukommen drohen. Hier liegt dann auch eine Ursache für den schleichenden Schwund von Kunden.
Eine gute Nachfolgeregelung muss deswegen zwingend die Belegschaften einbinden. Dabei reicht es nicht, die Mitarbeiter zu informieren, sie müssen mitgestalten und emotional abgesichert werden. Eine Nachfolge ist kein Spiel um Zahlen und Konzepte, sondern in erster Linie Beziehungspflege.
Gleiches gilt für die Kundenbeziehungen. Spätestens dann, wenn alle kaufmännischen und formalen Aspekte der Übergabe geplant sind und der Nachfolger eingearbeitet und etabliert ist, muss die Kundenpflege in den Fokus rücken. Die kritischste Phase nach einer Übergabe ist nicht die Verhandlung mit dem Nachfolger oder mit Banken, die kritischste Phase sind die ersten zwölf Monate nach der Übergabe. Die meisten Unternehmer unterschätzen das, und viel mehr noch die Nachfolger, weil sich der potenzielle Kundenschwund eben nicht sofort in Bilanzen und Ergebnisrechnungen ausdrückt.
Notwendig ist, bereits im Kontext der Übergabe einen strategischen Kundenübergangsplan zu entwickeln. Hier ist der Alt-Unternehmer in der Regel noch gefragt. Drei Faktoren sind dabei entscheidend: gemeinsame Kundenbesuche von Übergeber und Nachfolger über einen Zeitrahmen von sechs bis zwölf Monaten hinweg, eine definierte Kommunikationsstrategie für die Übergangsphase – auch die Kunden möchten auf Augenhöhe informiert und einbezogen werden – sowie ein aktives Beziehungsmanagement durch den Nachfolger mit messbaren Meilensteinen.
Das Ökosystem muss im Rahmen einer Nachfolge erhalten bleiben und kultiviert werden. Eine Unternehmensnachfolge kann nur gelingen, wenn die belastbaren Beziehungen erhalten bleiben und gepflegt werden. Das betrifft nicht nur Kunden, sondern auch Mitarbeiter, Lieferanten und Akteure im Umfeld wie Kommunen, Organisationen und Tarifpartner. Übergaben scheitern, wenn die Beziehungsebenen nicht bedacht und sorgsam gepflegt werden.
Gastautor: Der Bonner Strategieberater Thorsten Luber ist Diplom-Kaufmann
und Gründer der Nachfolgeinitiative
Bildquellen
- Thorsten Luber: Eric Bubacz